Nach langem Rechtsstreit ersetzt ein historischer Neubau das Blaue Haus
Etwashausen (Eig.Ber.) – Die Stadt ist auf dem Weg zu einer intakten Hauptstraße wieder ein Stück weiter gekommen. An die Stelle der „blauen Ruine“, wie das halbfertige Holzhaus im Volksmund genannt wurde, ist ein mehrstöckiges Gründerzeit-Haus getreten, das sich harmonisch an das im vergangenen Jahr errichtete Kino anfügt. „Es repräsentiert die Jahre der ersten Expansion Etwashausens und dokumentiert die Fähigkeit unserer Bauwirtschaft, historische Fassaden und modernste Wohntechnologie zu kombinieren“, lobte Kulturdezernent Friedbert Dünger den neuen, alten Bau.
Lange hatte die Stadtverwaltung versucht, auf gütlichem Wege und dann mit einem Baugebot den bisherigen Eigentümer des Grundstücks zu bewegen, entweder das blaue Haus fertig zu stellen oder einen dem Bebauungsplan entsprechenden Neubau zu errichten. Auch Bahnchef H.M. hatte Druck gemacht: „Von uns wird ständig ein Beitrag dafür verlangt, dass es im Umfeld der Bahnhöfe schöner aussieht“, erklärte er. „Dabei schaffen es nicht einmal die Städte selber, für ein anständiges Ambiente zu sorgen.“
Nach einigem Hin und Her vor Gerichten wurde die Erbengemeinschaft des Grundstücks Hauptstraße 5 zu Marktpreisen enteignet. „Das ist ja wie in der DDR“, hatte einer der Erben in einem Rundfunkinterview protestiert. „Da gab es aber keine sechsstelligen Summen bei Enteignungen“, korrigierte ihn Dünger am Freitag vor Journalisten.
Der Abriss der blauen Ruine war schnell erledigt, und nach dem Aushub der Baugrube konnte dank vorgefertigter Teile auch innerhalb zweier Tage der Neubau hochgezogen werden. Wie schon bei dem benachbarten Kino und bei Pits Café wurde Wert darauf gelegt, den früheren Zustand der Haupt- und der Goethestraße wieder herzustellen. „Nur so können am Ende der Sanierung alle Etwashausener innerhalb der früheren Stadtmauern eine angemessene Wohnung finden, und uns bleibt die Stadtflucht erspart“, erklärte Dünger.
Widerspruch erntete er dafür von den Grünen. Ihr Stadtrat Bernd Meyer machte geltend, dass das abgerissene Haus umweltfreundlich aus Holz erbaut worden sei. Die Stadt hätte es stehen lassen und fertig stellen sollen, kritisierte er. Allerdings konnte sich kein Abgeordneter einer anderen Partei für diesen Vorschlag erwärmen.
Sie fassten dann aber einen Beschluss, dass die Reste des abgerissenen Hauses einer umweltfreundlichen Wiederverwertung zugeführt werden sollen.
Der Neubau beinhaltet insgesamt 16 Wohneinheiten, dazu kommen im Erdgeschoss Geschäftsräume. Die „Etwaigen Nachrichten“ konnten erste Gerüchte, dort werde ein Zahnarzt seine Praxis eröffnen, noch nicht bestätigen. Angesichts wachsender Klagen über Zahnschmerzen in der Bevölkerung werden diesem Metier aber gute Wachstumschancen in der Gegend eingeräumt.
Das recht schmale Nachbargrundstück Nummer 7, das den Neubau vom Bahnhof trennt, dient zurzeit als Parkplatz. Es gehört der Post, soll aber in nächster Zeit ebenfalls bebaut werden. Verkaufsverhandlungen mit der Stadt, die diesmal nichts dem Zufall überlassen will, laufen schon. „Denkbar wäre eine pavillonartige Restauration, die auch als Bahnhofsgaststätte fungieren könnte“, sinnierte Denkmalpfleger Hans Kehrwieder. Er verwies für weitere Entscheidungen auf die in wenigen Tagen stattfindende Nürnberger Bauausstellung, auf der die großen Baufirmen möglicherweise geeignete Entwürfe vorstellen würden. „Da würde ich aber auch gerne ein Wörtchen mitreden“, schaltete sich Cafébetreiber Pit Krüger nach der Pressekonferenz im Rathaus ein. „Das wäre dann schon das vierte Gasthaus in der Stadt. Wie soll ich denn da auf meine Kosten kommen?“
Kehrwieder und Dünger beruhigten ihn. Es sei ja noch nichts beschlossen, und vielleicht entscheide man sich ja auch ganz anders. Denkbar sei zum Beispiel auch, dass im Laufe der weiteren Stadtsanierung eines der bisher auf der anderen Straßenseite stehenden Gebäude die Lücke füllen könnte.
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