Nummer 35: Entgleisung nur knapp verhindert

Herbstlaub und Äste stören den Bahnverkehr

Mit einer großen Axt musste der Ast zerkleinert werden, damit das empfindliche Gestänge der Lok nicht beschädigt wird.

Etwashausen (Eig.Ber.) Nur mit einer Schnellbremsung hat Lokführer Willfried Hellmich am Samstag in der Forsthauskurve eine Entgleisung verhindert. Ein Baum mit viel nas- sem Laub war auf die Schienen gefallen. Es hätte nicht viel gefehlt, und ein dicker Ast hätte das Gestänge der Schnellzuglokomotive ruiniert.

Nach dem Alarm über Zugfunk kamen Bahnhofschef Jürgen Vogel und zwei Arbeiter mit dem bahneigenen Tempo-Liefer- wagen, in dessen Kofferraum sie die nötigen Werkzeuge verstaut hatten. Hermann Müller-Lange aus dem Wiesenweg 4, auf dessen Grundstück sie ihre Arbeit verrichten mussten, legte Wert auf die Feststellung, dass der dicke Ast nicht von seinen Bäumen stamme. „Das haben wir schon gesehen“, sagte der Arbeiter. „So große Bäume haben Sie ja hier gar nicht. Wahrscheinlich stammt der Baum aus dem Wald gegenüber.“ Müller-Lange passte während der Arbeiten ganz genau auf, dass seine kostbare Hecke nicht beschädigt wurde.
Nachdem die Lok frei gesägt worden war, konnte sie unbeschädigt mit ihrem Zug nach Etwashausen einfahren. Allerdings hatte der Zug gut anderthalb Stunden Verspätung. Später hievte ein Kran die Reste des Baumes auf einen Güterwagen, und mit einer kleinen Rangierlok wurden die Äste zum Bahnhof gefahren.

Seltsame Fracht auf dem Rungenwagen.

Die wartenden Fahrgäste am Bahnsteig wunderten sich sehr über die seltsame Fracht auf dem Rungenwagen. Von da aus brachte ein Lastwagen die Waldabfälle zur Müllhalde.
In der Stadt entbrannte nach dem Zwischenfall eine Diskussion über die Frage, wer für die Sicherheit rechts und links der Schiene zuständig ist. Der Regionalbeauftragte Gerhard Schlupp vertrat in einer kleinen Runde abends im Dorfkrug die Ansicht, die Stadt müsse dafür sorgen, dass die Züge ungehindert verkehren könnten. Da war er aber bei Bürgermeister Wilhelm Meyer an den Falschen gekommen. „Sie sind nicht nur dafür verantwortlich, dass nichts auf die Schienen fällt, sondern auch dafür, dass der Abstand zwischen Gleiskörper und Bewuchs so groß ist, dass möglichst keine Feuergefahr durch Funkenflug besteht“, entgegnete er. Schlupp gab klein bei. „Ich sag ja schon immer, die Dampfloks machen nur Umstände“, sagte er. „Na, bald haben wir nur noch Elektro- und Diesellokomotiven.“
Trotzdem sagte Meyer zu, regelmäßig Streifen an die gefährdeten Gleisbereiche zu schicken. „Wir wollen ja alle, dass die Züge pünktlich sind“, sagte er. „Schäden melden wir euch dann, aber wegmachen müsst ihr den Dreck selber“, warnte er die Eisenbahner.
Einer der anderen Stammtischbrüder, der Alt-68er Klaus-Dieter Schulze-Hartnack, schlug die Berufung eines Herbstlaub- Beauftragten vor. „Er könnte ja je zur Hälfte von der Bahn und von der Stadt bezahlt werden“, meinte er. Nur schwer konnte er die Absicht verbergen, dass er selbst den Job machen könnte. Von dem Image des ewigen Studenten konnte er immer schwe- rer leben, zumal er immer weniger Sympathisanten auftreiben konnte, die ihm hier und da mal eine Arbeit verschafften.
Aber darauf wollte Bürgermeister Meyer sich dann doch nicht einlassen. „Wir müssen doch sparen“, meinte er. „Außerdem stellt sich ja die Frage,: Was macht der in den anderen drei Jahreszeiten?“ Da finde sich schon etwas, meinte Schulze-Hartnack. „Wir sollten lieber mal darüber reden, ob man nicht ein Anschlussgleis zur Müllhalde bauen sollte“, sagte Meyer. „Dann hätten wir schon wieder ein paar Lastwagenfahrten weniger in der Stadt.“ Schlupp versprach, das Problem mal mit dem Bahnvorstand zu besprechen. „Es gibt ja jetzt auch Zuschüsse für Anschlussgleise.“

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