Nummer 105: Parkverbot für schwere Laster

Bürger beschweren sich über Unsitten an der Hauptstraße

Das war dann doch zuviel: Ein Riesenlaster parkt auf dem Marktplatz direkt vor der Kirche. Und dann auch noch Schulmöbel.

Etwashausen, 31.Mai (Eig. Bericht). Der anhaltende Wirtschaftsaufschwung in der Region hat erste politische Verwerfungen in der Stadt verursacht. Am Freitag war im Verkehrsausschuss quer durch die Parteien die Hölle los. Mehrere Bürger hatten sich in erzürnten Stellungnahmen und einem Leserbrief bitter über die Lastwagen beklagt, die an vielen Stellen in der Stadt die Straßen zuparken und auch darüber hinaus für Ungemach sorgen. Nun sollen zahlreiche Verkehrseinschränkungen der Unsitte ein Ende machen.

Es fing an mit einem 12-Tonner, dessen Fahrer das Wochenendfahrverbot in der Nähe der Sozialwohnblocks abwartete. Mit der Zeit wurden es immer mehr. Manchmal parkten die Laster auch direkt vor Anni Scherers Gemischtwarenladen.
„Am Anfang haben sie sich hier was zu trinken und ein Paar Würstchen oder so was gekauft, und da habe ich mich über den steigenden Umsatz gefreut“, schilderte sie ihre ersten Eindrücke. „Aber bald nervten sie doch.“
Die Würstchen waren offenbar so gut, dass immer mehr Lastwagenfahrer am Wochenende in Etwashausen eintrudelten. „Ich habe fast Krach mit Anni gekriegt“, sagte Bauer Hartmut Wolf, „weil sie die senfbeschmierten Pappschalen auf meine Wiese warfen.“ Daraufhin verzichtete Anni auf die Schalen und ließ es bei schlichten Papiertüten bewenden.
„Mich hat mal einer angesprochen“, berichtete Genoveva F. „Auf dem Weg vom Dorfkrug in die Stadt. Ich gehe immer zu Fuß, wenn ich etwas getrunken habe. Aber ich habe mein Pfefferspray aus der Handtasche geholt, und da gab der Mann gleich Ruhe. Ich musste es nicht einsetzen.“

Der Straßenrand in der Siedlung: Voll zugeparkt. Anni Scherers Laden ist nicht mehr zu sehen, und bei Bauer Hartmut Wolf stinkt es nach Diesel.

Genoveva ließ es dennoch nicht dabei bewenden, sondern wandte sich an Bürgermeister Wilhelm Meyer. „So kann das nicht weitergehen“, sagte sie. Meyer winkte zunächst ab, aber Genoveva ließ keine Ruhe. „Ich will nachts unbelästigt nach Hause gehen können, und außerdem soll unsere Stadt sauber bleiben“, sagte sie zu Grünen-Stadtrat Bernd Meyer. Dem gefiel zwar Genovevas Wortwahl nicht, aber er nahm sich ihres Anliegens trotzdem an. „Gut, ich sorge dafür, dass es im Verkehrsausschuss behandelt wird“, sagte er.

Fahrer klagen auch

Die Lasterfahrer kamen dann selbst ins Rathaus und beschwerten sich über die Leute aus den Sozialbauten, die angeblich Tomaten an die Scheiben der Fahrerkabinen geworfen hätten. Seither fährt die Polizei auf der Hauptstraße häufiger Patrouille.
Vor drei Wochen aber brachte ein Möbelwagenfahrer das Fass zum Überlaufen. Er stellte seinen Anhänger auf der Hauptstraße ab und sein riesiges orangefarbenes Auto auf dem Markplatz, direkt vor der Kirche. „Auch noch Schulmöbel“, beschwerte sich der 13-jährige Ole B.
Der Pfarrer war so aufgeregt, dass er nach Luft schnappen musste, als er im Rathaus anrief. „Wenn da nichts geschieht, schlage ich von der Kanzel Krach“, drohte er. Nun war auch Meyer überzeugt. „Rechtlich haben die Fahrer nichts falsch gemacht“, sagte Grünen-Meyer, der Wert darauf legt, dass er mit dem Bürgermeister trotz Namensgleichheit weder verwandt noch verschwägert ist. „Aber wir können es für die Zukunft verhindern.“ So könne zum Beispiel die Stadt für Lastwagen gesperrt werden.
Dagegen wandte sich aber die oppositionelle FDP. „Damit wird der Aufschwung in unserer Stadt erstickt“, gab der Abgeordnete Mirko Ostertal zu bedenken. „Auch der Einzelhandel wird darunter leiden“, meinte er mit Blick auf Anni Scherer.
Gerhard Schlupp, der Regionalbeauftragte der Bahn, sagte: „Wir haben zwar selbst auch eine Spedition, aber wir finden, die Lasterfahrer sollten es nicht übertreiben.“ Besonnene Kleinspediteure wie Burkhard A. parkten immer vor der Stadt auf den großen Plätzen, wo am Wochenende sowieso niemand ist.
Erstens könnte man mit gewissen Einschränkungen die Lebensqualität der Etwashausener verbessern, und zweitens würde mehr Gut auf den Schienen transportiert.“ Die wichtigsten Steuerzahler der Stadt – er spielte auf die Farben AG und die Holzindustrie in Wildenranna an – hätten ohnehin Anschlussgleise.
Nach der ersten Sitzung geschah nichts. Man war auseinander gegangen und hatte eine Kommission gebildet, die in den nächsten Monaten geeignete Maßnahmen erarbeiten sollte. Das stellte die Bürgerinnen und Bürger keineswegs zufrieden. Sie gingen auf die Straße, aber nicht, um zu demonstrieren, sondern um die Lastwagenfahrer einzeln und persönlich davon zu überzeugen, dass sie bitteschön weiter draußen parken sollten, anstatt die Stadt voll zu stellen und zu verunreinigen. Einmal wandten sie sich sogar an den Fahrer des Kleinbusses, der die „Etwaigen Nachrichten“ in die Nachbarorte bringt. Und der Pfarrer begann von der Kanzel zu wettern.

Auch der Zeitungstransporter der „Etwaigen Nachrichten“ geriet ins Visier der Lastergegner.

Da riss Bürgermeister Meyer der Geduldsfaden. Nachdem er sich telefonisch bei seinem Namensvetter, dem Grünen-Stadtrat, der Zustimmung versichert hatte, rief er den Verkehrsausschuss zu einer Sondersitzung zusammen. „Ich will jetzt ein Halteverbot für Fahrzeuge über 2,5 Tonnen in der ganzen Innenstadt. Nur Zulieferer dürfen da noch zum Be- und Entladen halten“, sagte er. „Und ich bitte um Ihre Zustimmung.“ Bernd Meyer sagte nur: „Genau. In solch dramatischen Situationen müssen auch überparteiliche Kompromisse möglich sein.“ Ostertal stimmte murrend zu. Am Montag werden die Schilder bestellt.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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