Nummer 130: Die Deichsel hielt es nicht aus

Modellversuch mit langen Lastzügen scheiterte kläglich

Der große Laster scheitert an den Schranken der Etwashausener Hauptstraße. Der Modellversuch ist erst einmal vorbei. Die Befürworter müssen sich anders orientieren.

Etwashausen, 10. März (Eigener Bericht). Ohne Vorankündigung hat das Verkehrsministerium einen Modellversuch mit einem neuartigen Riesenlaster in Etwashausen gestartet. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Absichten scheiterte das Vorhaben aber kläglich, schon bevor sich in der Stadt der Protest überhaupt formiert hatte.

Das rot-grüne Ungetüm tauchte am Morgen am Bahnübergang der Hauptstraße auf. Es war mit 25,25 Metern ungefähr so lang wie die Straßenfront der Farben AG. Viele Autofahrer wichen erschrocken an den Straßenrand aus, weil die ungewöhnliche Länge in den doch recht engen Kurven Etwashausens einige Manöver erforderte, die die ganze Straßenbreite in Anspruch nahmen.

Ängstlich drücken sich der Buckelvolvo und der 230 SL an den Straßenrand, als Becher mit seinem Ungetüm die Hauptstraße entlang kommt.

Obwohl die Schranken oben waren, konnte der Laster zunächst nicht passieren. Fahrer Burkhard Becher stieg aus und ging zum Wärterhäuschen: „Kann man die Schlagbäume nicht noch ein bisschen höher kurbeln?“, fragte er den Wärter Paul Thiel. „Tut mir leid“, sagte der. Für solche Riesendinger sei der Bahnübergang nicht gemacht worden. Die Balken standen schräg über der Fahrbahn, auch wenn die Schranken oben waren. Dafür waren die Aufbauten des Riesenlasters mit 4,20 Metern zu hoch.

Noch während die beiden sich unterhielten, kamen Bürgermeister Wilhelm Meyer und die Gesellschaftsbeauftragte Hanna L. Muthesius an den Ort des Geschehens. Schon auf dem Weg dahin hatten sie sich über den Sinn dieses Versuchs gestritten. Auf intensive Fragen von Muthesius gestand Meyer kleinlaut, dass er dem Modellversuch mit den großen Lastwagen zugestimmt hatte, ohne eine Entscheidung im Stadtrat herbeizuführen. Das war zwar formalrechtlich auch nicht nötig. „Aber der sonst hier gepflegte Stil hätte es trotzdem geboten“, schimpfte Muthesius.

Nach einer Weile gab sie aber doch nach und ließ die Fortführung des Versuchs zu. „Wir kappen die Schrankenbäume“, beschlossen Thiel, Becher und Meyer. „Nur um zu sehen, ob er die Schienen überqueren kann“, sagte Meyer, und Becher versicherte, dass sein Chef die Kosten übernehmen würde. Muthesius murmelte Fritz P. zu: „Ich habe nur zugestimmt, weil ich sicher bin, dass der Lastzug auf den Schienen stecken bleibt.“

Es dauerte nicht lange, und zwei Gemeindearbeiter hatten die beiden Schlagbäume bis auf einen Stummel abgeschraubt. „Natürlich können wir das nicht jedes Mal machen, wenn so ein Laster kommt“, gab nun auch Meyer zu bedenken. „Außerdem muss ja immer der Bahnverkehr vorher gewarnt beziehungsweise unterbrochen werden. Das geht gar nicht“, sagte Thiel, der für diesen Sonderfall bereits zum Telefon gegriffen, den Fahrdienstleiter angerufen und eine kurzfristige Streckensperrung veranlasst hatte.

Auch als die Schranken gekappt waren, hatte der Riesenlaster erhebliche Probleme. Die Deichsel brach.

Becher erklomm sein Cockpit, startete den Motor wieder und fuhr ganz vorsichtig die Rampe des Übergangs hinauf. Er schaffte es mit dem Sattelschlepper und dem Auflieger, auch wenn einige Kratzer an den unteren Fahrzeugteilen und den Schienen nicht ausblieben. Aber dann brach die Deichsel zwischen Auflieger und Hänger.

„Das war’s“, sagte Becher. Meyer resignierte. Muthesius frohlockte. „Wusste ich’s doch!“ Und am Ende musste sogar noch ein Kran kommen und den Hänger auf einen Bahnwagggon hieven, da niemand eine andere Möglichkeit sah, ihn mit der gebrochenen Deichsel wieder an den Heimatort zu transportieren. „Mehr Verkehr auf die Schiene – Ich sag’s ja immer“, meinte Muthesius.

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