Service-Offensive soll helfen – Post und Bahn arbeiten sehr gut zusammen –

Immerhin, ein 12. Platz beim Wettbewerb um den “Bahnhof des Jahres”. © alle Fotos: Etwaige Nachrichten
Etwashausen, 3. September (Eigener Bericht). Etwashausen hat im Wettbewerb um den „Bahnhof des Jahres“ Platz 12 der Kleinstadtstationen errungen. Bürgermeister Wilhelm Meyer freute sich in einer Ansprache an die Wähler zwar über die erreichte Leistung, betonte aber, die Anstrengungen zur Verbesserung des Bahnhofs und seiner Angebotspalette dürften nicht nachlassen. Nächstes Jahr wolle man unter die ersten 10 kommen. Mit Hilfe der deutschen und der französischen Post wurde noch am selben Tag ein Paradebeispiel für hochentwickelte Dienstleistungen abgeliefert.
Der Bürgermeister gab die Parole aus: „Nach dem Bahnhof des Jahres ist vor dem Bahnhof des Jahres.“ Es gehe in den kommenden Monaten darum, die Basis für die Pro-Etwashausen-Stimmen deutlich zu verbreitern. Sowohl die Bahnbediensteten als auch die Etwashausener Bürger und die Leser der „Etwaigen Nachrichten“ würden gebeten, sich noch mehr anzustrengen und um weitere Zustimmung zu werben..
Bahnhofsvorsteher Jacob Claus ordnete als erste Maßnahme zur Verbesserung der Kundenfreundlichkeit an, dass bei starkem Andrang auf dem Bahnhof oder besonderen Vorkommnissen Bahnmitarbeiter die Fahrgäste bereits auf dem Bahnhofsvorplatz informieren. So könne man ihnen Momente der Verunsicherung ersparen und zur Revision des Vorurteils beitragen, dass die Bahn ihre Passagiere nicht hinreichend informiere.
Am Dienstag ging es aber zunächst darum, dass der tägliche Zug aus Paris in einer unwegsamen Gegend in den Ardennen von einem auf die Gleise gefallenen dicken Ast ausgebremst worden war. Das hatte zwar keine Auswirkungen auf den Passagiertransport zum Bahnhof – es waren ausnahmsweise keine Fahrgäste mit Ziel Etwashausen im Zug -, aber auf den Transport der Post. Paris und Etwashausen unterhalten seit einigen Jahren eine tägliche Direktverbindung mit einem Schnellzug, in dem auch die gesammelte Post aus Frankreich für Etwashausen, Wildenranna und Umgebung befördert wird.
Claus erfuhr durch einen Boten von dem Schicksal des Zuges beim Mittagessen im Gasthof zur Post, das er, wie so häufig, mit Oberpostmeister Bernd Klein einnahm. Als dieser die Nachricht mitbekam, leitete er sofort und unbürokratisch Maßnahmen in die Wege, um die Sendungen vor Verlust, Beschädigung oder übermäßiger Verspätung zu schützen. „Wir wollen ja nicht, dass da irgendwas wegkommt“, sagte er zu Claus, ließ den Nachtisch stehen, eilte in seine Poststelle im ersten Stock und griff zum Telefon.
Klein ließ sich von seiner vorgesetzten Dienststelle ein Auslandsgespräch genehmigen – „in jüngster Zeit ist das viel einfacher geworden“, sagte er auf Anfrage der „Etwaigen Nachrichten“ – und rief einen Kollegen der französischen Post in Roanne an. den er vor einigen Monaten im Urlaub kennen gelernt hatte.
Kollege Jean-Claude Durieux überlegte nicht lange. Er entschied, dass ein derartiger Sonderfall auch besondere Maßnahmen erfordere, und beantragte telefonisch bei der Kraftfahr-Bereitschaft der Bezirksleitung die Zurverfügungstellung eines Fahrzeuges, verbunden mit der Genehmigung zu einer Auslandsfahrt. Für den ebenfalls nötigen Fahrer werde er schon sorgen, erklärte er und ließ sich zugleich auf dem dafür vorgesehenen Formular eine Dienstreise nach Etwashausen genehmigen. Dies natürlich nicht ohne darauf zu vermerken, dass er von dem Recht Gebrauch mache, in begründeten Eilfällen die Reise auch schon vor der endgültigen Genehmigung antreten zu dürfen.
Danach schloss er seine Dienststelle, auf der es an diesem Nachmittag ohnehin nicht viel zu tun gab, und ging zu der nur wenige hundert Meter entfernten Kraftfahrt-Bereitschaft. Dort wartete bereits der diensthabende Betriebsleiter auf ihn. Er ließ sich von Durieux das ausgefüllte und unterschriebene Formular aushändigen, prüfte es kurz auf Vollständigkeit, und händigte ihm dann gegen eine weitere Unterschrift die Schlüssel eine posteigenen Kraftwagens aus. Durieux bat den Betriebsleiter, den Etwashausener Oberpostmeister telefonisch von der unkonventionellen Maßnahme zu verständigen.
Der Wagen war ein dunkelgrüner Renault 4CV, in den Durieux mit seinen verhältnismäßig langen Beinen gerade so hineinpasste. Aber in Notfällen muss ein Postbeamter eben auch verminderte Bewegungsfreiheit in Kauf nehmen.
Er fuhr sofort zum Unfallort. Dort besprach er mit den versammelten Behördenvertretern die Lage, wobei er mehrfach erklären musste, dass die Beförderung internationaler Postsachen, womöglich sogar geheimer Diplomatenpost, eine mindestens ebenso hoheitliche Angelegenheit sei wie die Sicherung von Spuren. Dank seines entschlossenen Auftretens gelang es ihm, die gesamte Post für Etwashausen und Wildenranna sicherzustellen. Sie bestand aus je einem halbgefüllten Sack für jede der beiden Ortschaften.
Mit den Säcken auf dem Rücksitz fuhr Durieux anschließend zügig Richtung Osten, bis er am Abend in Etwashausen ankam. In der Poststelle sagte er zu Oberpostmeister Klein: „La Grande Nation ist schon seit langem für ihre flexibilité bekannt.“ Klein schmunzelte und meinte: „Du brauchst jetzt bestimmt ein gutes Essen.“ „Oui“, antwortete Durieux, „aber erst wir bringen noch die Post für Wildenranna à la gare, äh den Bahnhof.“
Beide fuhren im Renault zum Bahnhof, wo der Personenzug nach Wildenranna abfahrbereit stand. Dort luden sie den Sack in den Postwagen. „Jetzt ‘abe isch Feierabend“, sagte Durieux. „Lass’ uns feiern!“ Sie gingen wieder in den Gasthof zur Post, wo sie für Klein sogar noch den Nachtisch vom Mittag aufgehoben hatten. „Wenn alle zusammenarbeiten, kommen wir mit solchen Geschichten beim nächsten Mal bestimmt etwas weiter bei der Wahl zum Bahnhof des Jahres“, sagte der Kellner.