Nummer 28: Rodung der City-Bäume verhindert

Sicherheit und Klimawandel gegen Umweltschutz
Etwashausener stemmten sich mutig gegen Pläne von Stadt und Bahn

Etwashausen (Eig.Ber.) Die letzten Bäume der Etwashausener City sind noch einmal davongekommen. Die Bürger organisierten am Montag eine spontane Demonstration, nachdem durch eine Indiskretion bekannt geworden war, dass schon am Donnerstag die Holzfäller anrücken würden. Somit zieren das westliche Ende der Goethestraße auch weiterhin Jahrzehnte alte Plastikfichten.

Spontandemonstration für die alten Fichten: Aufgebrachte Bürger in der Goethestraße.

Die Bahn könne aus Sicherheitsgründen die Bäume zwischen der Goethestraße und dem Ausfahrgleis des Bahnhofs nicht mehr dulden, hatte der Regionalbeauftragte Gerhard Schlupp geltend gemacht. „Während des Sturms ‚Kyrill’ ist uns von Bürgerinitiativen und Fahrgastverbänden vorgeworfen worden, wir würden rechts und links vom Bahndamm zu wenig Sicherheitsabstand lassen, und deshalb sei damals so viele Bäume auf die Gleise gefallen“, erklärte Schlupp. „Bitte, wenn ihr es so wollt, fällen wir eben die Bäume. Dann gibt es eben keinen Schatten mehr in der Goethestraße.“
Der Umweltbeauftragte der Stadt hatte den Antrag der Bahn, die Fichten zu fällen, zwar wohlwollend geprüft, aber noch nicht abschließend beschieden. Seine Zustimmung begründete er damit, dass den uralten Plastikfichten teils die Spitzen fehlten – „Ein klares Zeichen für kranke Bäume“ – und sie ohnehin alles andere als vorbildgerecht seien. Es werde Zeit, dass an anderer Stelle in Etwashausen schönere Bäume gepflanzt würden. Da hatte er aber seine Rechnung ohne Wirtschafts- und Finanzstadtrat gemacht. Es entspann sich ein Koalitionsstreit ohne absehbare Lösung. Der Bewilligungsbe- scheid befand sich daher am Dienstag noch im Umlauf, wie es aus Rathaus nahen Kreisen hieß.
Diese Situation nutzte der Alt-68er Klaus-Dieter Schultze-Hartnack, um eine Demonstration in der Goethestraße zu organisieren. Der Zuspruch war überwältigend. Er fand sofort mehrere Teilnehmer, sogar solche, die er noch nicht persönlich aus den alten Zeiten kannte. Ole aus dem Sozialwohnungsblock malte auf ein Betttuch seiner Mutter die Parole: „Rettet die Bäume in der Goethestraße“ und kletterte auf eine der Fichten. „Ich gehe da erst wieder runter, wenn klar ist, dass die Bäume stehen bleiben.

Ole auf dem geretteten Baum. Er kam nach der Demo ein bisschen vernadelt, wieder runter.

Erwin Horseler steuerte ein Schild: „Der Baum bleibt stehen!“ bei. Auch Genoveva F., die gerade aus einer Sitzung zur Anti-Alkoholtherapie zurückkam, war sofort dabei. „Soll ich das Lied ‚Mein Freund der Baum’ anstimmen?“, fragte sie Schultze-Hartnack. Der runzelte die Stirn und gab zu bedenken, dass das andere Demonstranten mit empfindlichem Gehör abschrecken könne. Noch bevor sie Luft holen konnte, hatte sich der persönliche Referent des Bürgermeisters bereits hinunter bemüht und sicherte Schultze-Hartnack und den anderen zu, dass die Bäume bleiben würden, wo sie seien. „Wenn wir Geld finden, pflanzen wir an anderer Stelle trotzdem ein paar vorbildgerechte neue Bäume“, versprach er.

Die Strafanzeige gegen den Anbringer des Che-Guevara-Posters wird aufgenommen.

Schultze-Hartnack, der noch ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte, weil er vor vier Wochen nicht beim G-8-Demos dabei war, sondern sich ein Wochenende in Mallorca mit einem Billigflieger gegönnt hatte, wollte die Situation ausnutzen, um das zarte Pflänzchen Revolution in Etwashausen weiter wachsen und blühen zu lassen. Er hatte, bevor er zur Goethestraße ge- gangen war, am Fenster seiner Zwei-Zimmer-Wohnung in der Hauptstraße ein Che-Guevara-Poster entrollt, das nun quadratmetergroß über Gerti’s Modestübchen prangte.
Während Gertrud sich fertig darüber aufregte, kam die Polizei. Ein konservativ eingestellter Passant, der auf dem Weg vom Bahnhof zum Marktplatz war, hatte das Poster gesehen und sogleich Gefahr vermutet. Der Beamte nahm die Anzeige wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung auf und beruhigte den Passanten, dessen Namen wir hier aus Datenschutzgründen lieber nicht nennen. Vom Einschalten des Generalbundesanwalts nahm er vorerst Abstand. „Das ist nur der Klaus- Dieter, der spinnt manchmal ein bisschen“, sagte er zu dem Passanten. Und Gertrud beruhigte er auch: „Wenn der von der Demo wieder zurück ist, rede ich mal mit dem.“ Schließlich ging er in Pits Café, wo er zu Recht die Nachfeier der Demonstranten vermutete. Und Klaus-Dieter musste einsehen, dass der Grundwiderspruch sich noch nicht weit genug aufgetan hatte für eine revolutionäre Situation in der Stadt. Aber immerhin hatte er die letzten City-Bäume gerettet.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

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