Nummer 103: Wolke vernebelte das Signal

Zug aus Italien mit Pizzateig musste notbremsen

Der italienische Zug vor dem Einfahrsignal. Als der Fotograf kommt, ist die Wolke schon wieder verschwunden.

Etwashausen, 2.Mai (Eig. Bericht) Ein mysteriöser Nebel hat die halbe Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Der Lokführer eines Güterzugs aus Italien leitete am Freitagmorgen eine Notbremsung ein, weil er die genaue Stellung des Einfahrsignals zum Etwashausener Bahnhof nicht mehr sicher erkennen konnte. Der Zugbetrieb auf der von Neustadt kommenden Strecke wurde für mehrere Stunden eingestellt.

Lokführer Giovanni Porcini brachte seinen Zug rechtzeitig vor dem Signal in der Forsthauskurve zum Stehen, weil er wegen schlechter Sicht schon seit einigen Kilometern langsamer gefahren war. Er forderte über Zugbahnfunk Hilfe an.

Als diese in Gestalt von Fahrdienstleiter Klaus Neuerburg im Auto nahte, war die Wolke schon wieder verschwunden. Jedenfalls war keine Sichtbehinderung festzustellen. Der Zug durfte langsam weiterfahren. Neuerburg ordnete sicherheitshalber eine ständige Wache in der Forsthauskurve an, die mit einem Fotoapparat bewaffnet wurde. Außerdem dürfen die Züge dort statt bisher 70 nur noch 30 Kilometer pro Stunde fahren, damit sie rechtzeitig bremsen können.

„Da kann wer weiß was passieren“, unkte Seniorenbeauftragter Mario Anhalt. „Ich habe mal gelesen, dass Außerirdische mit solchen Wolken versuchen, die Infrastruktur in der Gegend ihrer Landung durcheinander bringen.“ „Wenn man da zu tief durchatmet, kann das die Lungen schädigen“, mutmaßte Sozialarbeiter Hans-Jürgen Kummer. „Das liegt nur an diesen Atomversuchen“, sagte Hedwig Munke und fand sofort Unterstützung bei Klaus-Dieter Schulze-Hartnack, der schon überlegte, wie er die Einladung zu Demo am kommenden Samstag formulieren sollte.

„Wir können noch nicht vollständig Entwarnung geben“, erklärte Bürgermeister Wilhelm Meyer. Allerdings zerstreute er Bedenken, Bahnfahren sei durch die Wolke gefährlich geworden. „Vollständige Sicherheit kann es natürlich nie geben“, ergänzte er, „aber wir haben alles getan, damit die Fahrt mit dem Zug sicher und komfortabel bleibt.“

Selbstverständlich waren auch die „Etwaigen Nachrichten“ mit einem Fotograf dabei, dem das obige Bild des wolkengetrübten Blicks auf das Einfahrsignal gelang.

„Wir haben den Feinstaubexperten Wilhelm Meiserich zum Wolkenbeauftragten der Stadt ernannt“, verkündete der Bürgermeister. „Er wird künftig alle Untersuchungen und Maßnahmen zur Sicherung des Verkehrs koordinieren und überwachen.“

Am späten Nachmittag meldete die Wache, dass die Wolke wiedergekommen sei. Sofort beorderte Meiserich Fachleute an die Forsthauskurve. Sie sollten mit hoch komplizierten Messgeräten die Dichte und eventuelle Strahlungen im Dunst dokumentieren und messen. Sie fotografierten und maßen denn auch, was die Technik hergab. „Es wird eine Weile dauern, bis wir die Ergebnisse haben“ vertröstete der Wolkenbeauftragte die Reporter, die teils von weither angereist waren. „Aber seien Sie versichert, dass wir alles tun, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.“

Tatsächlich war darauf die Stellung des Einfahrsignals nur mühsam auszumachen, und der Regionalbeauftragte Gerhard Schlupp äußerte Verständnis dafür, dass Porcini eine Notbremsung ausgelöst hatte.

Der Seniorenbeauftragte, der das Bild am Abend im Dorfkrug genau in Augenschein nahm, sagte: „Das ist ganz typisch für fremde Lebensformen, dass sie mal auftauchen, mal verschwinden und dann wieder auftauchen.“

Anhalt wollte sich einfach nicht ausreden lassen, dass Wesen von einem anderen Planeten sich Etwashausener Forsthauskurve als Landeplatz ausgesucht hatten. „Der Mond hatte neulich schon so einen komischen Hof, als er über dem Wald stand“, führte er zur Begründung an. „Also ich würde in Pits Café keine Pizza mehr essen“, schloss er. „Warum denn das?“, fragte Genoveva. „Ja, wissen Sie das denn nicht? Im ersten Wagen hinter der italienischen Lok war Pizzateig für Pits Café. Wer weiß, was die Wolke mit dem Teig angestellt hat?“ Genoveva und Hedwig winkten ab. „Das glaubst du doch selbst nicht.“

Unterdessen verglich die Ermittlungsgruppe um Meiserich das Foto von dem umwölkten Signal mit einem Foto des Signals bei klarer Luft. Es war vor kurzem aufgenommen worden, weil eine Bestandsaufnahme gemacht werden sollte.

So sieht das Einfahrsignal ohne Wolke drumherum aus.

Es war nichts zu erkennen, auch bei gründlichster Untersuchung nicht. „Wir können nur abwarten, was die Messergebnisse bringen“, seufzte der Beauftragte. „Vielleicht sollten wir auch mal einen Meteorologen fragen“, regte Bürgermeister Meyer an. „Oder den Förster.“

Siegfried Weidenbusch, der Förster, verstand die ganze Aufregung nicht. „Wieso regt ihr euch eigentlich über diesen Nebel so auf?“, fragte er. „Habt ihr mal mit einem Meteorologen geredet?“ Der hätte nämlich gleich gesagt, dass es sich bei der mysteriösen Wolke einfach um jahreszeitlich bedingten Früh- oder Abendnebel gehandelt habe, der ebenso schnell verschwindet, wie er gekommen ist.

Schließlich wurde der Pizzateig doch noch ausgeladen. Mario Anhalt wird vermutlich vorerst keine Pizza mehr in Pits Café essen.

Pit war mit seinem Laster inzwischen zum Güterbahnhof gefahren, wo die Rangierlok den Wagen mit dem Pizzateig hingeschoben hatte. „Ich glaube das nicht, bevor nicht alle Ergebnisse bekannt sind“, sagte Anhalt. „Bis dahin esse ich keine Pizza.“ „Was soll’s“, sagte Pit. „Du hast bei mir sowieso noch nie eine gegessen.“

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.