Nummer 122: Die Flucht endete am Bahnübergang

Zechpreller und Kreditbetrüger festgenommen

Showdown am Bahnübergang. Der EN-Fotograf kam leider ein bisschen zu spät. Der Verhaftete war schon in einem unauffälligen Lieferwagen auf dem Weg zum Bahnhof.

Etwashausen, 22. Mai (Eigener Bericht). Ein prominenter Bürger der Nachbargemeinde Neustadt ist am Samstag am Bahnübergang vor der Forsthauskurve festgenommen und anschließend mit der Bahn abgeschoben worden. Den Namen nannte die Polizei auf Anfrage der „Etwaigen Nachrichten“ unter Verweis auf die Unschuldsvermutung nicht.
Dem Vernehmen nach soll es sich um den Chef der Neustädter Sparkassenfiliale, Dieter Seiler-Koch, handeln. Er wollte sich in einem DKW-Kombi absetzen, nachdem die Wirtin des Gasthauses zur Post am Marktplatz ihn angezeigt hatte. Er soll die Zeche geprellt und unanständige Lieder im Gastzimmer gesungen haben. Schon vorher waren Vorwürfe wegen unlauterer Machenschaften in seiner Filiale laut geworden, die sich bei den ersten Vernehmungen bestätigten.
„Die wollen mich fertigmachen“, war das erste, was der 58-Jährige bei seiner Festnahme aussagte. Im übrigen beteuerte er seine Unschuld.
Polizeiobermeister Siegfried Rudolph glaubte ihm kein Wort und nahm ihn zusammen mit seinem Streifenkollegen in die Mangel. Bei den ersten Verhören bestätigte sich, dass der Bankkaufmann einige Häuslebauer bei ihren Krediten betrogen hatte: Er hatte ihnen höhere Zinsen berechnet, als er an die Sparkassenzentrale abführen musste. „Das wird Folgen haben“, sagte der Polizist.

Vom Gasthaus zur Post über den Marktplatz kommt man nur durch die Hauptstraße aus der Stadt hinaus.

Trotzdem wies er den Fotografen der „Etwaigen Nachrichten“ an, seine Kamera bei der Festnahme am Bahnübergang nicht zu nutzen. „Der kann euch verklagen“, sagte Rudolph. So konnte der Fotograf nur noch die Polizeibeamten und das Fluchtauto aufnehmen.
Dem Polizeibericht zufolge hatte die Postwirtin am Abend gegen 23.40 Uhr angerufen. Ein Mann singe in ihrem Restaurant unzüchtige Lieder und weigere sich, die Zeche zu zahlen. Als Rudolph mit seinem Kollegen am Tatort eintraf, hatte der Mann ihn schon verlassen.
„Der hatte so einen graublauen, stinkenden Kombi“, sagte die Wirtsfrau. Rudolph roch am offenen Gasthausfenster noch die Zweitaktgemisch-Fahne. „Ich muss mal telefonieren“, sagte er. Nach dem kurzen Gespräch machte er sich an die Verfolgung des mutmaßlichen Zechprellers. Viele Möglichkeiten hatte der Flüchtende ohnehin nicht, da man vom Marktplatz nur auf der Hauptstraße aus der Stadt hinauskommt.
Den ersten Bahnübergang hinterm Bahnhof schaffte der Verdächtige noch. Am zweiten scheiterte er jedoch. Die Schranken waren unten, und es war nicht absehbar, dass sie bald wieder aufgehen würden, weil dort gerade eine Rangiereinheit operierte.
„Das ist kein Zufall“, sagte Rudolph zu Fritz P., der Reporterlegende, die inzwischen am Festnahmeort eingetroffen war. „Ich habe mit Güterbahnhofschef Neuerburg telefoniert, dass er die Rangierlok ein bisschen länger dort herumfahren lässt.“
Der Zwischenfall war nur das letzte Glied in einer Beweiskette gegen den Mann. Er hatte in Wildenranna ein Ferienhaus angemietet, in dem er sich mit mutmaßlichen Komplizen getroffen hatte. Ob die Polizei dieses Haus mit Abhörgeräten ausgestattet hatte, ließ Rudolph im Gespräch mit den „Etwaigen Nachrichten“ offen. Allerdings war dort auffällig lange an der neuen Straßenbeleuchtung gearbeitet worden. Es hatte Gerüchte gegeben, dass dabei einige Indizien zur Überführung gesammelt worden waren.

Lange dauerten die Arbeiten an der neuen Freileitung. Dass das mit dem prominenten Mieter im Haus rechts zusammenhing, wurde nicht bestätigt.

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