Nummer 123: Netzausbau gewinnt endlich an Tempo

Wildenranna erhält Anschluss an die Stromversorgung

Die Lichtmasten werden verladen. Sie werden nach Wildenranna transportiert, um dort die Straßen zu be-leuchten und die Häuser abseits des Bahnhofs mit Elektrizität aus der Steckdose zu versorgen.

Wildenranna, 11.Juli (Eigener Bericht). Nach langen Monaten des Stillstands nimmt der Ausbau des Stromnetzes in Etwashausen-Wildenranna endlich wieder Fahrt auf. Wo vor wenigen Wochen noch tiefes Dunkel herrschte, wird bald gleichmäßiges Licht die Straßen erhellen. Gestern wurden weitere Masten aufgestellt. Doch ganz pannenfrei verlief die Installation nicht.


Zunächst musste Bürgermeister Wilhelm Meyer die Stadtwerke von der Notwendigkeit des Netzausbaus überzeugen. „Bisher dachten wir ja immer, wir könnten in Wildenranna mit Generatoren den Strom erzeugen“, sagte er. „Aber wegen der immer weiter steigenden Ölpreise müssen wir uns langsam eine Strategie überlegen, wie wir von fossilen Brennstoffen unabhängig werden.“ Das gehe nur mit einem Netz. Zwar komme der Strom vorerst immer noch von weit entfernt liegenden Kraftwerken, aber mit einem funktionierenden Netz könnte sich Etwashausen früher oder später mit dem Projekt eines Wasserkraftwerks beschäftigen und dessen Strom ins Netz speisen.

Während in Etwashausen bereits eine durchgehende Stromversorgung aus dem Netz gesichert ist, hat die Infrastruktur in Wildenranna mit dem Boom der letzten Jahre nicht ganz Schritt halten können. Je weiter weg vom Bahnhof die Häuser standen, um sio schwieriger wurde es mit der Stromversorgung, so dass einige Anlieger sich einen Dieselgenerator anschafften.

„Wasserkraftwerk? Und mich habt ihr immer als Utopisten beschimpft “, spottete Klaus-Dieter Schulze-Hartnack, der Alt-Revoluzzer, „das wäre ja das erste Mal, dass hier etwas wirklich Innovatives passieren würde..“

„Also ich bin schon froh, wenn es hier nicht mehr so stark nach Diesel stinkt“, sagte Genoveva F. „Da schmeckt einem der Wein gleich viel besser.“

„Du trinkst Wein?“ Schulze-Hartnack wollte es nicht glauben. „Warum nicht? Mein Arzt hat gesagt, ich soll mehr Flüssigkeit zu mir nehmen“, entgegnete Genoveva. „Da bin ich von Korn auf Wein umgestiegen. Aber ich habe alles voll im Griff“, versicherte sie und ging zu den Arbeitern, die in der Nähe des Feldsteinhauses der Familie Menke mit der Leitungsverlegung beschäftigt waren.

Letzte Hand wird angelegt.

Die fertigen Freileitungsmasten wurden im Güterbahnhof von Etwashausen auf einen Zug verladen, der sie zum Gewerbegebiet von Wildenranna brachte. Das sei umweltfreundlicher als der Straßentransport, merkte Grünen-Stadtrat Bernd Meyer an. „Ob der Transport mit der Dampflok wirklich umweltfreundlicher ist, wage ich nun aber doch zu bezweifeln“, sagte Fahrdienstleiter Hans Neuerburg. „Aber egal, wir haben ja sowieso keine Wahl.“

Anschließend stellten die Stadtwerke die Masten auf und verkabelten sie. Dazu waren auch große Kabeltrommeln auf den Zug mit den Masten geladen worden. Schließlich wurden an jedem zweiten Mast Lampen angebracht. Der Bürgermeister hatte sich persönlich für das Modell „Schwarze Haube, weißes Schutzglas“ entschieden, „weil das so gut mit der ländlichen Struktur des Ortes harmoniert“, wie er sagte. Gegner des Projekts, die neumodische Neonlampen an den Masten anbringen wollten, weil sie zu dem modernen Bahnhofsgebäude im Bauhaus-Stil passten, ignorierte er geflissentlich. „Dafür ist noch genug Gelegenheit, wenn die Straße zum Bahnhof ausgebaut wird“, argumentierte er.

Kabel und Masten werden angeliefert.

Genoveva gefielen die neuen Lampen. „Es muss ja nicht immer das Modernste vom Modernen sein“, sagte sie. Schulze-Hartnack sekundierte: „Passt auch viel besser zu dieser konservativen Stadt.“ Genoveva wollte das eigentlich nicht politisch verstanden wissen. „Es ist eben alles Geschmackssache. Außerdem haben wir solche Lampen ja auch unten in Etwashausen. Mal sehen, was Hanna Muthesius dazu sagt.“

Schulze-Hartnack lachte. „Ausgerechnet die.“ Hanna war die anerkannte Trendsetterin der Stadt. Zwar hatte sie zu allem eine Meinung, aber im Grunde richtete sich niemand nach ihr. Ihr widersprechen, das wollte aber keiner. „Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?“, fragte Schulze-Hartnack Genoveva. Die guckte auf ihre Uhr. „Eine halbe Stunde habe ich noch. Dann fährt mein Zug nach Etwashausen zurück.“ Schulze Hartnack meinte, das würde reichen, um die Lampenfrage zu Ende zu diskutieren.

Danach waren sie sich einig, dass man vor einem endgültigen Urteil abwarten müsse, wie es aussieht, wenn die Beleuchtung angeschaltet ist. So weit soll es aber erst im Herbst sein.

 

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