Nummer 45: Ausländerdebatte im Stadtrat

Hilfe für bedrängte Nokia-Manager nach langem Streit beschlossen
Flüchtlinge kamen mit dem eigenen Zug

Ankunft der Asylbewerber: Auf ein Empfangskomitee wurde aus Sicherheitsgründen verzichtet.

Etwashausen (Eig.Ber.) Bedrängte Manager des Nokia-Konzerns erhalten in Etwashausen vorübergehend Asyl. Das hat der Stadtrat gestern nach hitziger Debatte beschlossen. Bürgermeister Wilhelm Meyer begründete die Maßnahme mit dem Hinweis auf die Menschenrechte. Wer in Bedrängnis gerate, dem müsse geholfen werden, auch wenn man seine Ziele nicht teile. In der Bevölkerung stieß die Entscheidung auf ein geteiltes Echo. Unmittelbar nach der Abstimmung trafen die Angestellten mit einem eigenen Zug auf Gleis 1 ein.
Die Gäste sollen sich ein paar Tage von den Strapazen nach der Schließungsankündigung erholen können, bevor sie ihre Reise nach Rumänien fortsetzen. Außerdem muss der Akku ihres Triebwagens aufgeladen werden.
Einfach haben sich die Abgeordneten die Entscheidung nicht gemacht, wie Sozialarbeiter Hans-Jürgen Kummer nach der Sitzung gegenüber den „Etwaigen Nachrichten“ betonte. Zuvor hatte er über einen Anruf von Abteilungsleiter Händi Hausiwekki des von der Schließung betroffenen Mobiltelefon-Werks berichtet. Der Anrufer sprach von Morddrohungen, die er nach der Entscheidung seines Chefs erhalten habe, das Werk in Bochum zu schließen. Auch sei er von erbosten Facharbeitern mit Handys beworfen worden, aus denen die SIM-Karten entfernt worden waren.
In der Debatte hatte ein Abgeordneter der Linksfraktion Bedenken geäußert, die Flüchtigen aufzunehmen und ihnen Wohnraum in Etwashausen zur Verfügung zu stellen. Die innere Sicherheit in Etwashausen sei gefährdet. „Die sollen doch rübermachen nach Finnland, wo sie herkommen“, empfahl er und drohte mit einer Klage, falls die Stadt Steuermittel zur Unterbringung zur Verfügung stelle.
Aus Meyers eigener CDU-Fraktion kamen ebenfalls Bedenken. Auch wenn die Entscheidung die Wahlen in Hessen und Nie- dersachsen nicht mehr beeinflusse, gebe es doch Ende Februar in Hamburg noch einen Urnengang.
Die Debatte zog sich dermaßen in die Länge, dass das Einfahrsignal für den Triebwagen eine halbe Stunde lang nicht freigegeben wurde. Der Triebfahrzeugführer warnte schon davor, dass der Akku seines Fahrzeuges sich bei längerem Stand-by-Betrieb während der Wartezeit möglicherweise verabschieden könnte.

Der Nokia-Triebwagen wartet auf die Freigabe zur Einfahrt in den Bahnhof.

Erst nachdem Meyer erklärt hatte, das knappe Dutzend Fahrgäste werde in Etagenbetten in
zwei leer stehenden Wohnungen des Mehrfamilienhauses am Bahnübergang untergebracht, erhielt sein Vorschlag die Zustimmung der Koalitionsabgeordneten. Selbstverständlich müssten sie Miete zahlen, ergänzte er. Erst danach konnte er über sein Motorola-Handy den Fahrdienstleiter anrufen und ihn bitten, die Einfahrt für den Triebwagen freizugeben.
Auf dem Bahnhof wurden die Neuankömmlinge ohne großes Aufsehen empfangen. Kummer hatte das angeregt, damit die Stimmung in der Stadt nicht umschlug. In autonomen Kreisen gab es Vorbereitungen, den Triebwagen mit Sprühfarbe „zeitgemäß umzudekorieren“, wie es ein ungenannt bleiben wollender Informant der „Etwaigen Nachrichten“ ausdrückte.
Als kleine Geste wurde immerhin der blau-weiße Linienbus vorübergehend als Transportmittel für die Angestellten eingesetzt, weil er – allerdings eher zufällig – in den finnischen Nationalfarben lackiert ist. Beschwerden über die nicht übermäßig komfortable Unterkunft gab es kaum.

Die Gäste verlassen den Bus vor ihrem Asyldomizil am Bahnübergang. Im Hintergrund der leere Akkumulatortriebwagen auf dem Weg zur Steckdose. Für die Fahrt nach Rumänien muss er mehrmals aufgeladen werden.

Der Triebwagen wurde anschließend an einen sicheren Ort mit Steckdose zum Aufladen gefahren, wo er bleiben soll, bis die Nokianer weiterfahren. Wann genau das sein wird, ließ Meyer offen. „Lange halt’ ich den Stress eh nicht aus“, sagte er gegenüber dieser Zeitung. Auf ein förmliches Asylverfahren werde wohl verzichtet, weil Deutschland nur als Transitland gilt und Meyer durch einen Anruf im Bürgermeisteramt der rumänischen Stadt Cluj bereits sichergestellt hat, dass die ankommenden Personen wohlwollend aufgenommen werden.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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