Nummer 46: Steuer-Razzia in der weißen Villa

Fahndertrupp mischte Besserverdiener-Familien in der Stadt auf

Etwashausen (Eig.Ber.) Steuerfahnder haben am Wochenende die Haushalte der Besserverdiener in der Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Das Ehepaar Gerhard und Doris S. aus der weißen Villa im Wiesenweg wurde vorübergehend festgenommen. Ein mutmaßlicher Steuersünder sprang auf der Flucht vor den Fahndern in den Tender der Dampflok des Zuges nach Neustadt.

Egon Weiß beim Abtransport nach der Flucht in den Tender.

Dank eines Tipps aus Ermittlerkreisen konnte Reporterlegende Fritz P. große Teile der Aktion aus nächster Nähe verfolgen. Die Fahnder-Truppe kam teils mit dem Auto, teils zur Tarnung mit dem Zug. Zwei von ihnen mieteten sich in einer noch leer stehenden Wohnung des jüngst renovierten Gründerzeithauses Hauptstraße 5 ein, um von da aus die Aktivitäten in der Stadt zu koordinieren.
Zunächst begaben sie sich zur weißen Villa und ins Bürgermeisteramt. Die Frage, was sie in der Behörde suchten, beantwortete Oberinspektor Wolfhard K. nicht. Aber Grünen-Stadtrat Bernd Meyer meinte verschmitzt: „Vielleicht wollte der Chef Etwashausen zur Steueroase erklären, zwecks Ankurbelung des Qualitätstourismus.“
Aus der weißen Villa im Wiesenweg transportierten die Beamten Aktenordner und Computer ab. Am späten Vormittag begleiteten sie das Ehepaar S. höflich, aber bestimmt, in seinem Mercedes 300 zu der gemieteten Wohnung zur Vernehmung.
Woher S. sein vieles Geld hat, ist nicht ganz sicher. Die sehr zurückhaltend lebenden Eheleute sollen vor Jahren mit Energiewerten aus Osteuropa Millionen gemacht haben.
Noch während die Beamten das Haus von S. durchkämmten und Material in ihren grünen Bulli luden, flippte Egon Weiß aus. Der Sohn des Farben-AG-Chefs fuhr zufällig am Ort des Geschehens vorbei, geriet in Panik, raste zum Bahnhof, sprang aus dem Auto und versuchte, sich im Kohlebehälter des Tenders der Dampflok 03 124 zu verstecken, die in wenigen Minuten mit dem Schnellzug Richtung Neustadt losfahren sollte.
Die Ermittlungsbeamten hatten Polizeiobermeister Siegfried Rudolph alarmiert und das Kennzeichen durchgegeben. „Der hat bestimmt was zu verbergen“, meinten sie. „Glaube ich nicht“, sagte Rudolph, und seine Stimme senkte sich, „der hat nur ’nen Knall.“

Bestürzung vor der weißen Villa. In der Mitte das Ehepaar S.

Er fahndete dennoch nach Weiß’ Wagen und fand ihn etwa zum selben Zeitpunkt, als Heizer Martin Schell den verhinderten Flüchtling im Tender entdeckte, der sich zu allem Unglück beim Sprung in die Kohle auch noch den Fuß verstaucht hatte. Schell, der für seinen eigenartigen Humor bekannt ist, meinte nur: „Na, jetzt hast du dich aber selbst angeschwärzt.“ Weiß junior wurde vernommen, aber schnell gegen eine Kaution wieder frei gelassen. Wieder einmal hatte ihm sein Vater aus der Patsche geholfen.

Der große Mercedes 300 wurde konfisziert. Er hatte ein schwarzes Liechtensteiner Kennzeichen.

Das Ehepaar S. wurde am Abend wieder freigelassen; der große Benz allerdings blieb als Kaution zurück. Den Fahndern war aufgefallen, dass er ein Liechtensteiner Kennzeichen hatte. „Das Auto muss immer da angemeldet werden, wo man sich überwiegend aufhält“, belehrte der Oberinspektor den Delinquenten.
Die Fahndungsaktion war am Abend das beherrschende Thema am Stammtisch. „Ganz schön aufregend“, sagte Dr. Löther. „Hoffentlich kriegen die mich nicht dran“ – „Wieso?“, fragte Genoveva F. „Ich habe neulich eine goldene Uhr verkauft, die ich mal geerbt hatte.“ Erbschaftsteuer habe er nicht bezahlt. „Was glaubst du, wovon ich im Dezember den Oldtimer gekauft habe?“ Genoveva sagte: „Mach dir keine Gedanken. Das erfährt ja keiner.“ – „Außer die Fahnder lesen die ‚Etwaigen Nachrichten.’“

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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