Nummer 55: Romantik am Bahnübergang

Polizei vermutete kriminelle Aktivitäten – Nicht alle Bürger begeistert
Gitarrist sorgt für neue Töne in der Stadt

Etwashausen (Eig. Ber.) Ein Straßenmusikant hat sich in Etwashausen niedergelassen. Bevor er aber seiner Leidenschaft nachgehen konnte, musste er sich erst einmal unangenehmen Fragen der Polizei stellen. Sie mutmaßte nach dem ersten Auftreten des Mannes namens Franco Moreno, er belästige Frauen ungebührlich. Im Interview mit den „Etwaigen Nachrichten“ sicherte er jedoch zu, keine bösen Absichten zu haben.

Es musste Liebe sein. Moreno brachte seiner Angebeteten des Nachts ein Ständchen. Er sang und spielte „Are You Lonesome Tonight“, und es machte ihm überhaupt nichts aus, dass hinter ihm der Güterzug vorbeiratterte.

„Das ist doch nur meine Freundin“, sagte Moreno auf die Frage, wen er da des Nachts auf der Hauptstraße ansinge. Die Polizei
hatte ihn aufs Revier gebeten, weil sich Anwohner über nächtliche Ruhestörung beschwert hatten. „Ich finde es ziemlich banausenhaft, Songs von Elvis Presley als Ruhestörung zu bezeichnen,“ protestierte Moreno. „Was haben Sie denn gespielt?“, fragte Polizeiobermeister Siegfried Rudolph. „’Are You Lonesome Tonight’“, antwortete Moreno. „na ja, es passte zu der Stimmung“, gab Rudolph zu. Moreno meinte: „Eigentlich ist es überhaupt nicht gerechtfertigt, von Ruhestörung zu reden. Die Züge sind viel lauter als meine Musik.“
Der Mann mit dem Hut und der Gitarre hatte bereits kurz nach seiner Ankunft auf dem Bahnsteig für Aufsehen gesorgt, als er sich mitten auf dem Bahnsteig mit seinem Instrument aufbaute und für seine eben aus- steigende Freundin Lisa in die Saiten griff. „Da hatte ich nicht den Eindruck, dass es irgend jemandem nicht gefällt.“

Ankunft des musikalischen Paares. Der Musiker bringt den Bahnsteig zum Rocken.

In der Nacht war er dann vor der neuen Wohnung der beiden in der Hauptstraße nach unten gegangen, um für eine Szene in seinem neuen Musikfilm zu üben. Obwohl immer wieder vom Lärm vorbeifahrender Züge übertönt, weckte seine Musik Nach- barn, die die Polizei riefen.
Diese ließ ihn nach seinen Einlassungen wieder ziehen, nicht ohne ihm das Versprechen abgenommen zu haben, dass er künftig nach 22 Uhr keine unangemeldeten Freiluftkonzerte mehr gibt. „O.k., alles klar, ich melde das künftig an.“
Am nächsten Tag ging Moreno zum Dorfkrug, mit dessen Wirt Egon Pielke er einen Vertrag für den Sommer geschlossen hatte. Er sollte auf der Bühne des Biergartens mit seiner Musik die Gäste unterhalten.
Schon am Mittag fing er mit den Proben an. Als das Gitarrenspiel in der Umgebung zu hören war, kamen von allen Seiten die Leute, um es zu hören. Emma S., die mit ihrer Tochter Kimberley gerade vorbeikam, deutete in den Kinderwagen und sagte zu Pielke: „Gucken Sie mal, wie die sich freut.“ Der Wirt war voller Hoffnung, was die Auslastung des Biergartens am Abend anging.

Bei den Proben am Mittag traf Moreno auf großes Interesse.

Am Abend füllte sich das Lokal jedoch nur langsam. Es war kalt geworden, und viele Leute, die sonst das eine oder andere Bier getrunken hätten, zogen es vor, zu Hause zu bleiben.
Zu den Abgehärteten gehörte auch Genoveva F., die sich von Moreno mindestens vier Gitarrensongs wünschte. Und auch Förster Siegfried Weidenbusch schaute einmal vorbei. Bei der Gelegenheit sprang Castor, sein Schäferhund, voller Begeisterung für den Gitarrenspieler auf den leeren Tisch neben der Bühne und lauschte ergriffen den Akkorden. „Na, wenn der das mag, muss es ja wirkliche Kunst sein“, lachte Weidenbusch. „Sonst fängt er immer an zu jaulen, wenn es an die hohen Töne geht.“

Der Hund „Castor“ von Förster Weidenbusch lauscht andächtig den Klängen der akustischen Gitarre.

Wenn es auch wenige Gäste am ersten Abend waren, sie bewiesen doch Durchhaltevermögen. Genoveva beispielsweise strich erst um ein Uhr in der Nacht die Segel. „Da schmilzt man doch einfach so dahin, wenn der so einen Blues spielt und singt.“, rechtfertigte sie sich am nächsten Morgen. Reporterlegende Fritz P. runzelte leicht die Stirn.

Bis in die Nacht ließen die – diesmal erlaubten – Gitarrenklänge die Herzen dahinschmelzen.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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