Nummer 73: Vier Männer im Schnee

Wie der grüne Unimog der alten 89er durch die Lawine half

Schwerstarbeit für den Schneeräumer: Der Unimog schiebt gewaltige Schneeberge vor sich her.

Etwashausen (Eigener Bericht) Nur mit großem Aufwand konnte am Wochenende ein Biertransport in die Stadt sichergestellt werden. Ein plötzlicher Lawinenabgang hatte die Strecke auf dem Hochplateau hinter Neustadt verschüttet. Dem alten grünen Unimog der Etwaigen Reinigungsbetriebe gelang es mit Hilfe einiger aufopfernd arbeitender Eisenbahner, die Schneemassen vor der alten 89er wegzuräumen, so dass der Zug, wenn auch mit einiger Verspätung, wohlbehalten ankam.

Als Lokführer Wieland Hellmich in Neustadt losgefahren war, hatte er zwar mitbekommen, dass oben auf der Höhe noch Schnee lag, aber die Betriebszentrale versicherte ihm, dass die Strecke frei sei. Allerdings herrsche wegen des Tauwetters Lawinengefahr.
„Das hatten wir schon öfter“, sagte sich Hellmich, und auch der Fahrdienstleiter stellte die Signale für den Biertransport auf freie Fahrt bis Etwashausen. So dampften Hellmich und sein Heizer Martin Schell mit der 89er los.
Bis sie kurz hinter dem Scheitelpunkt der Stecke mit einer meterhohen Schneewand konfrontiert wurden. Schell resignierte: „Da kommen wir nie durch.“ Hellmich ging einStück zurück. Er erinnerte sich, dass einige hundert Meter weiter hinten ein Bahntelefon stand. Das wenigstens funktionierte noch. Frierend rief Hellmich in Etwashausen an und bat um Hilfe. „Wir schicken den grünen Schneepflug von den Reinigungsbetrieben. Der hat bis jetzt noch jede Trasse frei geräumt“, sagte der Regionalbeauftragte Gerhard Schlupp, der es sich nicht nehmen ließ, die Rettungsmaßnahmen persönlich zu leiten. „In Extremsituationen sind extrem gute Leute gefordert“, hatte er erklärt.
Was Schlupp nicht sagte: Es war schon eine Weile her, dass der alte Unimog zum letzten Mal bewegt worden war. Bekanntlich fällt in Etwashausen wegen der stabilen Hochdrucklage kaum jemals Schnee. Zum Bewegen der Lkw-Anhänger am großen Güterbahnhof gibt es ja schon einen neuen Unimog, der aber kein Räumschild hat.
Und so scheiterte Busfahrer Wulf Mathies zunächst bei dem Versuch, die alte Maschine anzulassen. Er rief Mechaniker Holger Behncke zu Hilfe; der füllte Diesel nach, öffnete die Motorhaube und rüttelte hier und da ein bisschen an Kabeln und Aggregaten. Danach sprang der Unimog an. Reporterlegende Fritz P. durfte mitfahren. Mathies hatte, nicht ganz selbstlos, Wert darauf gelegt, einen Beifahrer zu haben, falls er doch stecken bleiben würde.

Hohe Schneewehen waren zu überwinden.

Am schwierigsten war es an der Stelle, wo plötzlich die Schneedecke anfing. Das war kein langsamer Übergang, sondern plötzlich hatte er es mit anderthalb Metern weißer Pracht zu tun. Aber der Grüne schaffte auch das.
Als sie sich dann schließlich bis zu der Stelle durchgeräumt hatten, wo die 89er schon beängstigend viel Kohle im Wartezustand verdampft hatte, sahen sie Schell, wie er vergeblich versuchte, den Schienenstrang vor der Lok zu lokalisieren.

Schell auf der Suche nach dem Gleis.

Es gelang ihm nicht. „Mach mal Platz!“, rief Mathies aus dem Seitenfenster des Unimogs. Schell stapfte zur Seite, und das große Schneeräumen begann. „Wenn man einmal den Bogen raus hat, ist es gar nicht so schwer“, meinte Mathies. „Trotzdem, Busfahren ist mir lieber.“
Nach einer Stunde hatten sie es geschafft, gerade noch rechtzeitig, bevor der 89er die Kohle knapp wurde. Das Wasser hatte die Reporterlegende zwischen durch schon aufgefüllt – mit Schnee und Eimer, denn trotz des Lawinenabgangs war das Tauwetter weiter gegangen.
„Wollen Sie bei uns mitfahren?“, fragte Hellmich den Reporter. Der sagte begeistert zu. Schließlich war er noch nie in einer echten 89er gefahren. Sie wird in Neustadt nur ganz selten bereitgestellt, weil die Züge meistens zu lang sind und sie dann den Berg nicht schafft. Fritz P. durfte sogar ab und zu die Schaufel in die Hand nehmen und Kohle in den Feuerschlund der Lok befördern. Ihm machte das höllischen Spaß, und Schell konnte sich ein bisschen ausruhen.

Der Wimo-Sip-Wagen nimmt die Ladung des Güterwaggons auf.

Als sie endlich an der Rampe des neuen Ladegleises ankamen, war es fast schon dunkel. Aber der Wimo-Sip-Getränkelaster wartete, weil Hellmich Güterbahnhofschef Jürgen Vogel vom Telefon aus verständigt hatte. So kam das Bier doch noch nach Etwashausen. Und schön gekühlt war es auch. Fritz P. öffnete gleich eine Flasche. Das war gar nicht so einfach, bei dem Muskelkater vom Schaufeln.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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