Nummer 81: Neues Heim im Wald

Bahnchef setzt sich in Etwashausen zur Ruhe

Der ehemalige Topmanager entstieg einem Abteil der 2. Klasse und trug seine Aktentasche selbst.

Etwashausen, 12. Mai (Eigener Bericht) Bahnchef H.M., der vor einigen Wochen wegen der Lokklau-Affäre zurückgetreten ist, setzt sich in Etwashausen zur Ruhe. Seine Ankunft sollte zwar total geheim bleiben, den „Etwaigen Nachrichten“ gelang es aber doch, M. aufzuspüren. Zu einem Interview war er allerdings nicht bereit.

Es begann vor ein paar Tagen damit, dass Reporterlegende Fritz P. einen Tip aus Bahnkreisen mit der Ankunftszeit M.s erhielt. Und tatsächlich – der einstige Topmanager entstieg einem Abteil der 2. Klasse. Er hatte sich in der Lokklau-Affäre durch den Einsatz zu vieler unfähiger Aufklärer unmöglich gemacht und deshalb seinen Rückzug angeboten. Bei seiner Ankunft in Etwashausen kam er zur Tarnung in einem dunkelbraunen statt dem üblichen anthrazitfarbenen Anzug an. Und ein Novum: Er trug seine Aktentasche selbst. Anschließend fuhr er mit dem Taxi weiter, und seine Spur verlor sich vorerst.

Wenige Tage darauf erzählte Genoveva Fritz beim Stammtisch im Dorfkrug, sie glaube zu wissen, wo M. hinziehe. „Ein Makler aus Neustadt hat bei Hedwig Einblick ins Grundbuch genommen.“ Genovevas beste Freundin Hedwig Munke, die beim Katasteramt arbeitete, verwaltet auch die Etwashausener Grundbuchabteilung. „Und er hat ihr erzählt, dass der Bahnchef sich hier zur Ruhe setzen will.“ Das Haus müsse ein wenig abseits liegen, denn er wolle nicht dauernd Leute um sich haben und er wolle „manchmal mit Hammer und Amboss arbeiten“. Fritz sagte: „Früher konnten nicht genug Leute um ihn sein, wenn er auf die Pauke gehauen hat.“ Genoveva sagte, so viele Häuser, die diese Bedingung erfüllten, gebe es ja in Etwashausen nun auch wieder nicht. Hedwig glaube, dass M. in das Natursteinhaus im Wald hinter der Forsthauskurve ziehen wolle, ergänzte Genoveva. „Du meinst das Haus mit dem großen Kamin, das schon ein halbes Jahr leersteht?“, fragte Fritz.

Dann kam noch ein Tipp, diesmal aus Etwashausen selbst. Die Spur führte zum Güterbahnhof. M. hatte sein Auto nachkommen lassen, und siehe da, als Fritz am Samstag dort ankam, hievte der Kran gerade ein grünes 300-SL-Cabrio vom Waggon.

Gerade hievt der Kran das Cabrio vom Waggon.

M. war auch dort und bemerkte, wie Fritz, den er von Pressekonferenzen kannte, angesichts des schönen teuren Autos durch dei Zähne pfiff. „Na, da haben Sie mich ja doch erwischt“, sagte M. mit einer Mischung aus Ärger über die aufgeflogene Tarnung und Stolz auf seine Neuerwerbung. „Ist er nicht schön? Übrigens, ein Interview gibt es nicht.“

„Tja, uns Reportern gibt niemand eine Abfindung“, antwortete Fritz. „Aber eins will ich wissen: Wieso fahren Sie gerade so ein Auto?“ M. sagte: „Es gibt ja keine Züge mehr, bei denen man das Dach aufmachen kann. Hier drin zieht einem der Wind so schön den Scheitel nach.“ Als die Transportsicherungen entfernt waren, setzte er sich an Steuer, nahm den Hut ab, grüßte kurz und brauste in den Sonnenuntergang. Fritz, dessen Auto ziemlich weit weg stand, schaffte es nicht, hinter ihm herzufahren. Aber er hatte ja die Information mit dem Natursteinhaus.

Das neue Heim des Bahnchefs. Die Geheimhaltung klappte nicht, weil er sein auffälliges Auto (rechts im Schatten der Fichte) nicht schnell genug versteckt hat.

Und tatsächlich: Als er dort ankam, stand der Mercedes im Schatten einer großen Fichte vor dem Haus. Fritz traute sich nicht näher ran, weil M. sich ja ziemlich klar geäußert hatte. „Eine Garage wird er anbauen müssen“, dachte der Reporter.

Als er sich abends mit Genoveva traf, erzählte sie ihm, dass sie den Alt-68er Klaus-Dieter Schulze-Hartnack im Lebensmittelladen getroffen habe. „Der will doch tatsächlich eine Demonstration gegen M. organisieren. Weil das Wild im Wald durch die Hammerschläge bleibende psychische Schäden davontragen könnte.“ Fritz fragte: „Hatte er nicht gerade eine Bürgerinitiative gegen leerstehenden Wohnraum gegründet?“ – „Eben“, sagte Genoveva, „die wird ja jetzt arbeitslos.“

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.