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Streik vor dem Schlagbaum

Geschrieben von Thomas Rietig am 24. März 2024

Nummer 192: Schrankenwärter will bessere Arbeitsbedingungen –

Wegen langer Güterzüge sind die Etwashausener an lange Schließzeiten der Schranken gewöhnt. © Alle Fotos: Etwaige Nachrichten

Etwashausen, 23. März (Eigener Bericht) Der Schrankenwärter am Übergang Hauptstraße/Güterbahnhof ist am Mittwoch in den Streik getreten. Er demonstrierte für eine neue Arbeitszeitregelung und eine Klimaanlage im Wärterhäuschen. Güterbahnhofchef Jürgen Vogel erklärte den „Etwaigen Nachrichten” exklusiv, die Verwaltung denke ernsthaft über die Forderungen nach.

Die Behörden und die Medien wurden bei der Durchfahrt des vormittäglichen Güterzuges von Donauwörth nach Emden auf die Arbeitsniederlegung aufmerksam. Karl Maihofer, der diensthabende Schrankenwärter, baute sich vor der heruntergelassenen Schranke auf, fuchtelte mit den Armen und rief etwas in Richtung der wartenden Autofahrer, was diese aber wegen der Lärmentwicklung des Zuges nicht ganz verstehen konnten. Am Wärterhäuschen beobachtete Streckengeher Bernd Müller die Szene mit sichtbarer Besorgnis.

„Ich dachte, ich höre nicht richtig”, berichtete der Vertreter von Hoffmanns Idealstärke, Willi Knaus, der mit seinem grünen Schnelllieferwagen an der Spitze der Schlange stand. „Ich verstand immer ”šKlimaanlage‘.” Nachdem der fast 700 Meter lange Zug mit den üblichen 40 km/h vorbeigerattert war, rieben sich die wartenden Autofahrer die Augen. Die Schranken blieben unten, Maihofer brüllte „Klimaanlage” und „48-Stunden-Woche”. Entsprechende Transparente hatte er auf der anderen Seite der Gleise platziert.

Knaus sagte: „Ich kurbelte mein Fenster runter und fragte ihn, was das soll. Gute Laune hatte ich nicht. Ich wartete schließlich schon lange genug, und ich war ohnehin schon spät dran. Idealstärke muss schließlich schnell beim Kunden sein.”

Maihofer erklärte, er habe jetzt die Nase voll. „Ich bin in den Warnstreik getreten.”

„Was ist das denn für ein Quatsch? Warnstreik? Bloß weil das jetzt alle machen? Du hast doch sowieso nicht viel zu tun! Hin und wieder mal die Schranke runter- und dann wieder hochkurbeln! Dafür verdienst du bestimmt genug! Und jetzt an die Arbeit!”, schimpfte Knaus.

„Solidarität sieht aber anders aus”, entgegnete Maihofer. „Die Schranke bleibt unten!”

„Was verlangst du eigentlich?”, fragte Knaus. „Und warum belästigst du uns damit?”

„Ich will die 48-Stunden-Woche und eine Klimaanlage! Die Bahn will mich weiter hier schwitzen lassen.”

Maihofer verkniff sich ein Lachen: „Eine Klimaanlage? In der Hütte? Na gut, ich rede mal mit dem Chef. Das kann ja nicht so teuer sein. Aber jetzt mach den Schlagbaum hoch!”

Inzwischen hupten einige der wartenden Autos auf beiden Seiten. Von der anderen Seite des Gleises rief jemand: „Beamte dürfen gar nicht streiken!” Der Streckengeher war inzwischen zu der diskutierenden Gruppe getreten. „Du solltest es nicht übertreiben”, sagte er, der für sein besonnenes Wesen bekannt war, zu Maihofer. Der brummte etwas vor sich hin, ging zu der Kurbel und leierte mürrisch die Schranken hoch.

Reporterlegende Fritz P. telefonierte am Nachmittag mit Güterbahnhofchef Jürgen Vogel, dem direkten Vorgesetzten Maihofers. „Gehen Sie auf seine Forderungen ein?”

„Ich bin noch nicht sicher”, antwortete Vogel. „Der Witz ist, dass aus seinen Stundenzetteln hervorgeht, dass er schon jetzt weniger als 48 Stunden arbeitet, wenn man es streng nach Vorschrift berechnet. Er hat nur nicht nachgerechnet. Ich habe das weder nach oben gemeldet noch ihm etwas davon gesagt. Eines seiner beiden Probleme wäre damit schon erledigt.”

„Und das andere?”

„Unter uns: Die Stromkabel sind zu schwach für eine Klimaanlage. Da müssten vom Trafohaus neue gelegt werden.”

„Na, so weit ist das ja nicht. Gerade mal unter dem Gleis durch”¦”

„Außerdem wäre das ein Präzedenzfall. Wenn jetzt Krethi und Plethi eine Klimaanlage in der kleinsten Hütte haben wollen – wo kämen wir denn da hin?”

Bedeutendes Zeugnis der Wirtschaftskrise

Kaum hatte Fritz aufgelegt, klingelte sein Telefon schon wieder. Hans Kehrwieder, der Direktor der Unteren Denkmalschutzbehörde Etwashausen/Wildenranna, war dran. Er habe auch im Stau gestanden, verriet er dem Reporter, und habe die Forderungen gehört. „Das Wärterhäuschen steht als bedeutendes Zeugnis der Wirtschaftskrise der 1920-er Jahre unter Denkmalschutz”, sagte er und gab zu bedenken, dass eine Klimaanlage zwar das äußer Erscheinungsbild nur unwesentlich, aber die Gefühlswelt der Insassen wesentlich beeinflussen würde. „Wenn er sich darin wohlfühlt, wäre das typische Befindlichkeitsprofil der Krise und der Inflation komplett verändert.” Deshalb müsse er sich vorbehaltlich einer wissenschaftlichen Überprüfung erst einmal sehr skeptisch zu Maihofers Forderung äußern.

„Haben Sie das Maihofer auch gesagt?”, fragte Fritz vorsichtig. „Nein”, antwortete Kehrwieder. „Ich wollte erst einmal Akteneinsicht nehmen.”

Eine Entscheidung steht also noch aus. Fritz rief noch einmal bei Vogel an und berichtete von den Überlegungen Kehrwieders. „Ich sage ja, das wird schwierig”, meinte der Güterbahnhofchef. „Wenn Maihofer das hört, flippt er total aus. Nun, ich werde ihm erst mal die 48 Stunden genehmigen”, lachte er.

Diskussion am Bahnübergang. Die Schlangen werden länger. © für das Faustsymbol: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Thema: Nachrichten
Schlagwörter:
Bahn, Denkmalschutz, Etwashausen, Schrankenwärter, Streik, Verkehr

Thomas Rietig

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