Nummer 61: Nicht viel mehr als der Rucksack blieb

Auto geklaut – Campingtest wurde zum ungewollten Abenteuerurlaub

Fritz P. am späten Samstagnachmittag nach dem Verlassen des Kurswagens aus Paris. Erschöpft schaut er auf die Uhr.

Etwashausen (Eig.Ber.) In einen Abenteuerurlaub hat sich der Campingwagen-Test verwandelt, zu dem Fritz P. vor vier Wochen aufgebrochen war. Am Samstag stieg er alles andere als erholt aus dem Kurswagen Paris – Etwashausen des D-Zuges aus Köln. Der Campingwagen wurde ihm ausgerechnet in der alten Papststadt Avignon gestohlen, und die Rückfahrt gestaltete sich alles andere als erholsam.

„Es ist passiert, als ich den Papstpalast besichtigte“, berichtete er dem Rangierer Walter Vollmer, der beim Versetzen des Kurswagens für die Rückfahrt half. „Ich hatte das Auto in einer dieser engen Altstadtstraßen abgestellt, und als ich nach zwei Stunden wiederkam, war es nicht mehr da.“ Die Polizisten hätten nur mit den Schultern gezuckt und die Anzeige aufgenommen. „Und die Firma Saxonia, der der VW-Bus ja gehörte, war auch nicht begeistert. Aber sie glauben, dass sie ihn wiederfinden.“ Irgendwann müsse der Wagen ja irgendwo wieder auftauchen. „Meine ganzen Klamotten sind auch weg, denn die habe ich ja drin gelassen. Gut, dass ich nicht so viele mitgenommen hatte. Zum Glück hatte ich im Palast den Rucksack mit den Papieren und dem Fotoapparat dabei.“ Und was wird jetzt aus dem Testbericht?“, fragte Vollmer, der den eigentlichen Urlaubszweck auch aus den „Etwaigen Nachrichten“ (wir berichteten in Nummer 59) kannte.

Autotest in den Eichenwäldern der Provence.

Den könne er trotzdem schreiben, sagte P., denn ein guter Journalist habe seine Negative immer am Mann. „Und die meisten Funktionen des Busses habe ich ja wirklich getestet.“ Fast wäre er mit dem Wagen ins Mittelmeer gefahren, erzählte er. „Das war so blau, das ließ einen gar nicht mehr los.“

Fast wäre er ins Mittelmeer gefahren. Die blaue Farbe entwickelte eine magische Anziehungskraft.

Als er in seiner Wohnung ein erfrischendes Bad genommen hatte, ging P. noch in den Dorfkrug, um sich bei einem Glas Wein von den Strapazen des Urlaubs zu erholen. Am Stammtisch saß schon Genoveva, die aus allen Wolken fiel,
als er die Gaststube betrat. „Dass du dich auch mal wieder blicken lässt“, fing sie an. „Hör’ bloß auf“, sagte er. Natürlich wollte sie die ganze Geschichte von ihm hören, und insbesondere, ob er sie alleine erlebt hatte. Wie Män- ner nun mal sind, merkte er aber gar nicht, was sie eigentlich interessierte, so sehr hatte er den Kopf voll mit den Umständen des Urlaubsendes. „Erst dachte ich, es wäre alles ganz einfach. Man geht zum Bahnhof, wartet auf den Zug und fährt nach Hause.“
Leider gibt es aber von Avignon noch keinen direkten Zug nach Etwashausen. „Dann habe ich den falschen Zug genommen. Am Ende musste ich bis nach Paris fahren, um irgendwie wieder nach Etwashausen zu kommen. Als ich endlich im Kurswagen saß und dachte, nun könne ja nichts mehr passieren, haben sie in einem Bahnhof irgendwo auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges vergessen, den Kurswagen an den Zug nach Deutschland umzusetzen. Vier Stunden hat es gedauert, bis es wieder losging.“

Immer wieder ein Blickfang in Etwashausen: Die große 01 vor dem D-Zug mit dem französischen Kurswagen.

Draußen schnaufte die große Dampflok kurz vor der Abfahrt des Nachtzuges. „Und wie war das mit dem Test?“, versuchte Genoveva ihm weitere Urlaubsdetails zu entlocken. „Wie hast du herausgefunden, dass man dort auch zu zweit drin schlafen kann?“
Fritz setzte seinen unschuldigsten Blick auf und sagte: „Ach, Geneviève!“ „Fehlt nur noch: ‚…das ist ein weites Feld!’, dachte Genoveva. Aber irgendwie musste er ja belegen, dass er in Frankreich war. „Weißt Du eigentlich, dass die Franzosen sich immer Küsschen beim Begrüßen geben? Auch wenn sie nur miteinander bekannt sind?“. lenkte er ab.
Genoveva merkte es, zog es aber vor, nicht weiter zu insistieren. „Komm, wir stoßen auf deine Rückkehr an“, sagte sie mit einem ganz leicht gequälten Lächeln und hob ihr Apfelschorle-Glas.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.