Vor Sparkasseneröffnung zieht Millionär sein Vermögen ab
Etwashausen, 25. März (Eigener Bericht). Einen kleinen Zug hat ein Neustädter Millionär von der Bahn gemietet, um quasi im Handstreich am Sonntag sein Geld aus Etwashausen abzuziehen. Zuvor hatte der Stadtrat beschlossen, den Geldverkehr in der Stadt und dem Nachbarort Wildenranna schärfer zu kontrollieren, um die Finanzwirtschaft nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Für den Alltag in der Stadt hat das nach Angaben von Bürgermeister Wilhelm Meyer keine Konsequenzen.
Das Stadtoberhaupt gab sich gelassen: „Wir haben eine funktionierende soziale Marktwirtschaft, und daran werden auch solche Aktionen nichts ändern.“ Bald werde es in der Stadt geordneten Geldverkehr unter genossenschaftlicher Aufsicht geben. Zwielichtige Geschäfte und Investitionen hätten dann erst recht keine Chance mehr.
Paul Lederer*, einer der reichsten Männer Neustadts, hatte nach unbestätigten Informationen die bevorstehende Eröffnung einer Sparkasse in Etwashausen zum Anlass genommen, sich seine gesamten Einlagen auszahlen zu lassen und mit unbekanntem Ziel abzutransportieren.
Bargeld konnten die Etwashausener sich bisher in Neustadt besorgen, wo es einige Bankfilialen gibt, oder in Einzelfällen bei Anwalt Michael Fürst, der in einem Tresorraum im Keller seines Gründerzeit-Hauses in der Hauptstraße einige Vermögen verwaltete. Dort lag dem Vernehmen nach auch eine beträchtliche Summe der Barschaft Lederers, der Anteile an der Farben AG hält. Er ließ sie, wie die „Etwaigen Nachrichten“ aus Anwaltskreisen erfuhren, in eine dunkelbraune Kiste packen und mietete von der Bahn einen Zug, um sie erst nach Wildenranna und von dort an einen unbekannten Ort zu fahren.
Dem „EN“-Fotografen gelang es, das Verladen an Gleis 5 des Güterbahnhofs festzuhalten. Die wertvolle Fracht war mit einer VW-Doppelkabine an den kleinen Zug, bestehend aus der alten T3 und dem Wagen 311, gebracht worden. Der Waggon hat verstärkte Seitenwände. Ob das Teil der Sicherheitsvorkehrungen oder Zufall war, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls wurde auf besondere Sicherheitsmaßnahmen offenbar verzichtet.
Der Zug fuhr anschließend gemächlich die Steigung nach Wildenranna und dort auf das Gewerbegleis, das er bei Sonnenuntergang erreichte. Wie der Zufall so spielt, war auch dort ein Fotograf anwesend, dem es gelang, die Umladung in den großen schwarzen Horch Lederers zu dokumentieren. Das Vorkriegsauto, eine große Seltenheit auf unseren Straßen, verschwand ebenso schnell wie es gekommen war, ohne dass sich der Eigentümer gezeigt hätte. Als die von Anwohnern gerufene Polizei eintraf, waren alle Spuren der Umladeaktion verschwunden.
Meyer wollte im „EN“-Interview zu den Vorgängen nichts sagen. „Solange die Reichen mit ihrem Geld die Arbeitsplätze und den Wohlstand der anderen nicht gefährden, können sie damit machen, was sie wollen“, sagte er. „Damit diese Gefahr gar nicht erst aufkommt, werden wir mit einem bewährten Modell den Geldverkehr in beiden Orten regulieren“, sagte er. Weitere Einzelheiten würden in den nächsten Wochen Stück für Stück bekannt gegeben.
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* Name von der Redaktion erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig und nicht beabsichtigt.