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Ein bisschen sauer, ein bisschen herb

Geschrieben von Thomas Rietig am 1. März 2024

Nummer 191: Wein-Affäre in Etwashausen aufgeklärt – Ein Nachgeschmack bleibt

Im Morgennebel rangierte die alte T5 den Weinwagen wieder aus dem Güterbahnhof – wer weiß wohin. © Alle Fotos: Etwaige Nachrichten

Etwashausen, 1. März (Eigener Bericht) Die Wein-Affäre in Etwashausen ist aufgeklärt. Die nächtlichen Umfüll-Aktionen dienen dazu, den edlen Rebensaft nicht in Verruf zu bringen. Ob dieses Ziel trotz der mangelnden Transparenz erreicht wurde, muss die Zukunft zeigen. Ein schaler Nachgeschmack bleibt.

Wieder war es mitten in der Nacht, als Güterbahnhofschef Jürgen Vogel die Reporterlegende der „Etwaigen Nachrichten”, Fritz P., aus dem Schlaf klingelte.

„Weißt du eigentlich, wie spät es ist?”, fragte der missmutig ins Telefon.

„Ja, es ist viertel nach drei”, antwortete Vogel gelassen. „Du wolltest aber angerufen werden, wenn sich in Sachen Wein etwas tut. Tag und Nacht, hast du extra dazu gesagt. Meinst du, mir macht es Spaß, meine Nächte so zuzubringen?”, ergänzte er. „Nun ist es so weit. Komm gleich in den Güterbahnhof.”

Zwanzig Minuten später saß Fritz in seinem alten Citroën und fuhr zum Güterbahnhof. Dort angekommen und ausgestiegen, nahm Vogel ihn zur Seite, damit die dort agierenden Personen nicht sofort merkten, dass Presse anwesend war. „Keine Angst, von denen kennt mich keiner”, sagte Fritz. „Und selbst wenn, so unausgeschlafen, wie ich aussehe, erkennen mich nicht mal die Zielfahnder des BKA.”

Es war sehr neblig in der Ecke um den Kran und das renovierte Güterbahnhofsgebäude, das erst vor wenigen Tagen in Betrieb genommen worden war. Im Zentrum des Geschehens stand ein fremdländischer Weinwagen, der von einer grauen T5 aus alten württembergischen Beständen auf das hintere Ladegleis rangiert worden war. Unschwer war Ungarn als Herkunftsland des Waggons zu erkennen: Es stand drauf. Mehrere Leute waren damit beschäftigt, aus den großen Fässern eine Flüssigkeit in kleine Fässer umzuladen. Es roch nach Essig. Am Gleis stand wieder der auffällige gelbe Lastwagen mit der orangefarbenen Plane, den er das letzte Mal schon gesehen hatte.

Schon fast fertig

Es sah für Fritz so aus, als sei die Umladeaktion schon fast beendet. Zu sehen waren nur noch zwei Fässer, die anderen hatten wohl schon Platz auf der Ladefläche des Lasters gefunden.

Vogel sagte: „Ja, wenn du auch so lange brauchst, bis du aus dem Bett kommst!”

„Ich versuche es einfach mal mit nüchterner Ansprache”, meinte Fritz und ging zu einem der Männer, der sich gerade mit einer Aktentasche auf den Weg ins Güterbahnhofsbüro machte. „Entschuldigung?”

„Ja, bitte?” Auf dem Gesicht des Mannes machte sich keine Freude breit, aber total abweisend schien er auch nicht.

Fritz schaute sich kurz nach Vogel um, zeigte ihm einen Daumen hoch, und fuhr fort zu fragen: „Ich bin von den ”šEtwaigen Nachrichten‘. Was passiert hier eigentlich?”

„Wenn Sie schon mal hier sind, kann ich es Ihnen ja auch sagen, ehe Sie irgendwelche Schauermärchen verbreiten”, brummte der Mann. „Kommen Sie am besten mit ins Büro. Hier ist es mir zu kalt.”

Tee und Butterbrot

In dem nüchternen Bahnhofsbüro setzten sie sich an einen Tisch neben einige Lagerarbeiter, die Tee aus der Thermoskanne und Butterbrote aßen. „Sind Sie Weintrinker?”, fragte der Mann, nachdem er sich als Weinhändler aus Neustadt vorgestellt hatte. Fritz nickte. „Leider kann ich Ihnen jetzt keinen anbieten. Aber ich habe aus einem anderen Grund gefragt. Sie wissen dann ja, dass viele Weine im Handel aus einer Mischung verschiedener Rebsorten bestehen.”

Das müsse nicht zwingend einen negativen Beigeschmack haben. Im Gegenteil: „Der Begriff Cuvée, den die Franzosen für dieses auf deutsch „Verschneiden” genannte Mischen benutzen, impliziert sozusagen die Kunst des Winzers, aus dem, was ihm vom Weinberg gegeben wurde, das Beste zu machen”, dozierte der Händler. „Aber hin und wieder wird dabei nicht ganz nach den Regeln vorgegangen. Dann bekommen die Verbraucher Kopfschmerzen.” Fritz nickte heftig.

„Kopfschmerzen bekommen aber auch ehrliche Winzer oder Leute wie ich, die einen Ruf zu verlieren haben. Deshalb versuchen wir auf Umwegen und ohne großes Aufsehen, die Aktivitäten der Panscher zu unterlaufen, indem wir ihnen den schlechten Wein vor der Nase wegkaufen.”

Fritz blickte aus dem Fenster auf den Lastwagen. „Nein, Essig machen wir auch nicht daraus”, sagte der Händler. Der Laster sei ein Gebrauchtwagen. „Als erstes lassen wir den Wein auf seine Bestandteile und Unverträglichkeiten untersuchen. Dann wird er industriellen Zwecken zugeführt.”

„Aber warum denn hier bei uns in Etwashausen?” Fritz’ Gesichtsausdruck spiegelte Unverständnis.

„Weil hier in der Farben AG renommierte Chemiker sitzen, die über geeignete Prüfwerkzeuge verfügen . So können wir sicher sein, dass nicht irgendeine Weinmafia unsere Bemühungen torpediert.”

Zum Schluss gab ihm der Weinhändler seine Visitenkarte. „Wenn Sie noch Fragen haben”¦ Ich würde mich freuen, wenn Sie mir ein Belegexemplar schicken.” Fritz bedankte sich und meinte nach einem kurzen Smalltalk, man hätte die Geschichte ja auch von Anfang an transparent machen können. „Sie meinen, es bleibt ein unangenehmer Nachgeschmack im Abgang? Wir werden sehen”, gab sich der Weinhändler zuversichtlich. „Aber vielleicht trägt Ihr Artikel ja dazu bei, die Panscher über kurz oder lang trockenzulegen.”

„Prost”, sagte Fritz zum Abschied.

Umladen fast beendet: Die meisten Fässer sind schon im Laster.

Thema: Nachrichten
Schlagwörter:
Panscher, Wein

Thomas Rietig

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