Aktion „Trafalgar“: Profis suchen nach verschwundener Lok
Etwashausen, 1. März (Eigener Bericht) Die Bahn hat im Fall der verschwundenen Lok 05 003 jetzt externe Ermittler eingeschaltet. Die Schweizer Detektei „Dikola“, die sich beim Aufspüren von Dieben bis hin nach Finnland einen Namen gemacht hat, wurde in die Aktion „Trafalgar“ eingebunden. Offiziell wurden zunächst keine Angaben gemacht. Man wolle die Ermittlungen nicht gefährden. Aber es kam trotzdem heraus, dass offenbar ein Eisenbahner-Geheimbund in den Fall verwickelt sein könnte.
Hintergrund: Die Lok 05 003 war vor zwei Wochen aus dem Lokschuppen heraus verschwunden (die EN berichteten). Die Bahn war ratlos: Weder wusste sie, wie das ganze abgelaufen war, noch, wo sich die Lok seitdem befindet. Nur ein mysteriöses Foto, das die 05 an einem Tunnelausgang mit einem Schaf im Vordergrund zeigte, war aufgetaucht. Aus der Bevölkerung kam der Hinweis, dabei könnte es sich um einen Tunnel bei Fulda handeln. Dort halten sich traditionell Schafe in der Nähe von Bahngleisen auf. Die Schweizer Ermittler sind bekannt dafür, dass sie bei der Suche nach Verbrechern mit unkonventionellen Methoden auch in intimste Bereiche vordringen. Sie reisten mit einem eigenen Zug an. Der erregte am Bahnsteig von Etwashausen großes Aufsehen, weil seine Scheinwerfer deutlich heller strahlten als die der einheimischen Lokomotiven. „Das soll unseren Willen zur totalen Durchleuchtung der Affäre dokumentieren“, sagte der Pressesprecher der Gruppe den „Etwaigen Nachrichten“.
Wie der Zufall so spielt, war Reporterlegende Fritz P., gerade auf dem Bahnsteig, als der Zug ankam. Ein Mann, der offensichtlich das Sagen in der Gruppe hatte, teilte je zwei Ermittler zur Recherche in der Stadt und in der Siedlung im Norden ein. „Hört euch auch mal im Dorfkrug um“, hörte P. ihn sagen.
Als die Schweizer später in den Nachbarort fahren wollten, mussten sie ihre hellstrahlende E-Lok in Etwashausen lassen, weil die Nebenstrecke nach Wildenranna noch nicht elektrifiziert ist.
Der Waggon der Schweizer wurde dann an den regulären Postzug angehängt. Da dieser wie meist nur aus einem Waggon bestand, hatte die altehrwürdige 55er nicht viel Mühe am Berg. Als Lokführer Wieland Hellmich wie üblich mit seinem Zug an der Rangier- bude vor der Einfahrt nach Wildenranna hielt, um Rangierer Ewald Brähler die Zeitung zu bringen und ein kleines Schwätzchen zu halten, stiegen zwei Ermittler aus ihrem Waggon und protestierten. „Glauben Sie, wir haben ewig Zeit?“, fragte einer. Hellmich murmelte Brähler zu: „Morgen ist auch noch ein Tag“, und setzte seine Fahrt fort. Die Ermittler kamen zunächst nicht auf die Idee, Brähler zu befragen, ob wohl an seiner Bude alle Züge vorbeifahren, die Etwashausen in Richtung Wildenranna verlassen. Und er hat morgens ab 05.30 Uhr Dienst.
In Wildenranna angekommen, blockierte der grüne Vierachser der Schweizer stundenlang das Hausgleis. Auf der Bank neben dem Empfangsgebäude saß, wie meistens, Sozialarbeiter Hans-Jürgen Kummer, der angesichts der allgemein günstigen Wirtschaftslage nicht viel zu tun hatte und sich für schwerere Zeiten schon mal vorab erholte.
„Anderthalb Stunden hat der mich genervt“, erzählte Kummer am Abend im Dorfkrug. „Dabei konnte ich überhaupt nicht weiterhelfen. Das letzte Mal, dass ich diese Lok gesehen habe, zog sie den Nord-Express Richtung Skandinavien.“ Das sei aber schon mindes- tens sechs Wochen her gewesen. „Kurz nach Weihnachten oder so.“
Erlöst wurde er, weil beim Wildenrannaer Bahnhofs- vorsteher das Telefon klingelte. Ein Ermittler, der in Etwashausen geblieben war, hatte etwas gefunden. „Eine ganz merkwürdige Skizze“, sagte er nur. Die anderen sollten sofort wieder zurückkommen.
Abends im Dorfkrug erzählte Genoveva F. dem Reporter alles. Sie war auch interviewt worden, hatte aber natürlich nichts gesehen oder gehört. „Ich schlafe wie ein Stein“, sagte sie. Charmant wie sie war, hatte sie dem Ermittler einiges entlockt.
Der Fund war eine Plastikkarte, deren Aufdruck aussah wie das Negativbild der Antriebsachsen einer Schnellzuglok. Sie hatten sie am Bretterhäuschen in der Nähe des Lokschuppens gefunden, in dem die 05 gestanden hatte. „Sie glauben, dass sie einem Mit- glied eines Geheimbundes von Eisenbahnern gehört“, berichtete Genoveva. „Aber sie haben keine Mitgliederliste.“ Sonst wäre es ja auch kein Geheimbund, meinte Kummer. Er gab zu, dass er ein Mitglied dieses Bundes kannte. „Den Namen sage ich euch natürlich nicht, sonst macht der mich fertig.“ Eigentlich dürfe man die Geheimkarte nie verlieren. „Frag mal den Rangierer“, sagte der Sozialarbeiter. „Aber sag ihm ja nicht, dass ich dir das gesagt habe.“ Fritz P. versprach Verschwiegenheit. Aber er nahm sich vor, in der kommenden Woche auch bei den Ermittlungen mitzumischen.
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