Nummer 26: Eklat um Genoveva

Mit Alkoholvergiftung aus dem Zug geholt

Drogenbeauftragter: So kann das nicht weitergehen

Etwashausen (Eig.Ber.) Die stadtbekannte Alkoholikerin Genoveva F. hat am Bahnhof für einen Eklat gesorgt. Sie brach im Nahverkehrszug von Wildenranna zusammen, so dass Zugführer Ludwig Schwerin schon vor Erreichen des Bahnhofs den Notdienst der Feuerwehr alarmieren musste. Lebensbedrohlich ist ihr Zustand nicht.

Fast direkt aus dem Abteil in den Krankenwagen: Genoveva F.mit Alex (links) und Maik (2.v.l.) auf dem Weg zum Arzt..

Zunächst wurde im Stellwerk sichergestellt, dass der Zug auf Gleis 1 einfahren konnte anstatt auf dem planmäßig vorgesehenen Gleis 2. Dadurch war die Entfernung vom Abteil, in dem Genoveva fast bewusstlos lag, zum Notarztwagen geringer. Außerdem musste man sie so nicht über den am Nachmittag doch ziemlich belebten Zwischenbahnsteig schleppen. „Ist das hier die
Whisky-Bar?“, fragte Genoveva Rotkreuzhelfer Maik Bayer, als der sie im Abteil wiederzubeleben versuchte und sie zum ersten Mal die Augen aufschlug. Er legte ihren Arm auf seine Schulter und hievte sie aus dem Waggon.
Als er mit ihr herauskam, atmete er erst einmal tief durch. „Da drin stinkt’s wie in einer Destille“, sagte er zu seinem Kollegen Alex Gradener, der draußen auf ihn wartete, um Genoveva mit ins Auto zu heben. Ganz vorsichtig, damit sie sich nicht etwa im Wagen übergab, nahm Alex Kurs auf den Bahnübergang. Im Schritttempo überwanden sie das Gleis.

Ganz vorsichtig ging es über die Schienen des Bahnübergangs.

In der Stadt hatte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet. Im Rathaus war ein bisschen Betrieb, obwohl Sonntag war, weil die Führungskräfte der Stadt gerade die Pressemitteilung über die Erfolge der Suchtwoche entwarfen, die am Dienstag zu Ende geht.
So rief Bürgermeister Meyer den Drogenbeauftragten Willi Reiss zu sich und forderte ihn auf: „Du musst was sagen! Wir können doch zu so etwas nicht schweigen. Wenn jetzt schon die Alten in aller Öffentlichkeit saufen, wie sollen wir dann die Jugend abhalten, es auch zu tun?“
„Ich wollte eigentlich den Feiertag nicht mit so etwas entweihen“, versuchte sich Reiss herauszureden. „Schließlich geht es doch heute um die Einheit. Morgen ist doch auch noch ein Tag.“ Er schaute den Bürgermeister gequält an. In Wirklichkeit hatte er keinen abgestimmten Sprachgebrauch parat und noch Kopfschmerzen vom Samstagabend im Dorfkrug. Aber das konnte er Meyer natürlich nicht sagen.
„Besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen“, kanzelte Meyer seinen Drogenbeauftragten ab. Anschließend ließ er seinen Referenten die „Etwaigen Nachrichten“ anrufen und für den späten Nachmittag eine Stellung- nahme zu dem Skandal ankündigen.
Inzwischen war der Krankenwagen an Dr. Löthers Praxis angekommen. Genoveva war nach Ansicht von Alex durch die Fahrt so geschwächt, dass er sie unbedingt auch stützen musste, als sie auf die Praxistür zugingen.
Dr. Löther empfing sie gleich in seinem Behandlungszimmer. Er wollte den anderen Patienten Genovevas Mitteilungsbedürfnis nicht zumuten, die ihn als erstes um ein Reinigungsmittel für ihr
weißes Kleid bat. „Es geht hier nicht um Ihr Kleid“, sagte er, die Nase ob der Ausdünstungen rümpfend. Er untersuchte ihre Mundhöhle, machte einen Soforttest und einen, den er ins Labor schickte. „Wenn es eine Promillegrenze beim Eisenbahnfahren gäbe, wären Sie jetzt Ihre BahnCard los“, scherzte er. „Hier verschreibe ich Ihnen ein Pulver, das lösen Sie in Wasser – in Wasser, hören Sie! – und trinken es dreimal am Tag.“ Und dann lassen Sie sich von meiner Sprechstundenhilfe einen Termin geben, an dem Sie eine Kur antreten können. So kann das nicht weiter gehen mit Ihnen.“
Genau dieselben Worte fand auch der Drogenbeauftragte, als er kurz darauf in der Redaktion anrief. Reporterlegende Fritz P., der am Vorabend auch im Dorfkrug gewesen war, verkniff sich im Namen der guten Sache investigative Fragen und schrieb nur die Ratschläge auf. „Wir werden darauf hinarbeiten, dass auch in Wildenranna die Wirte zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie den Gästen zu viel Alkohol ausschenken“, kündigte er an und erinnerte an eine entsprechende Verordnung, die seit 1. Juni in Etwashausen in Kraft ist.

Viel Unterstützung hatte Genoveva auf ihrem kurzen Weg vom Krankenwagen zur Arztpraxis.

„Gesundheitliche Schäden habe ich jetzt nicht entdeckt“, sagte Dr. Löther, als Genoveva sich wieder anzog. „Aber Sie müssen die Kur machen, sonst sind Sie bald nicht mehr zu retten.“ Die Patientin, die die Flecken auf ihrem Kleid mit ein bisschen Desinfektionsspray zu entfernen versuchte, war schon fast wieder nüchtern. Sie murmelte nur: „Na gut, man kann ja auch ohne Alkohol lustig sein“, und versprach, den Termin für die Kur einzuhalten.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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