Historische Gaslaterne umgebaut und wieder in Betrieb genommen
Etwashausen, 30. Januar (Eigener Bericht). Die letzte Gaslaterne Etwashausens ist gerettet. Nach langen Debatten im Stadtrat und den örtlichen gastronomischen Betrieben fand das historische Stück eine neue Heimat an der Freileitung, die die Beleuchtung der Hauptstraße versorgt.
Es begann damit, dass die Bahn das alte Lagerhaus von Meyer & Co. am Wildenrannaer Bahnhof wieder in Betrieb nehmen wollte. Das Haus wird seit der Meyer-Pleite vor einigen Jahren nicht mehr benutzt. Nach der überstürzten Flucht des Inhabers auf die Cayman-Inseln hatte sich keiner mehr darum gekümmert. Das Eigentum an der Halle ging auf die Bahn als größten Schuldner Meyers über.
Vor einigen Wochen ließ Güterbahnhofschef Jürgen Vogel das Haus ausräumen. „Wir brauchen wegen der abflauenden Konjunktur mehr Lagerkapazität“, sagte er. Die Aufräumarbeiten begannen in aller Stille. „Ehrlich gesagt, wollten wir keine öffentlichen Diskussionen über die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes oder seines Inventars.“
Da hatte er die Rechnung aber ohne Genoveva F. gemacht, die die Arbeiten mit Argusaugen verfolgte. Eines Abends ging sie auf dem Rückweg von der Wildenrannaer Bahnhofsgaststätte am Lagerhaus vorbei und entdeckte eine große Gaslaterne auf der Rampe. „Die ist ja super schön“, dachte sich Genoveva, „die darf nicht einfach verschrottet werden.“
Noch leicht verkatert, machte sie sich am nächsten Morgen an die Rettungsaktion. Erst rief sie die „Etwaigen Nachrichten“ an. Dann weckte sie den pensionierten Direktor der Unteren Denkmalschutzbehörde, Hans Kehrwieder, und nötigte, ihn, sie zu der Rampe zu begleiten und das Objekt in Augenschein zu nehmen. „Das ist eine Laterne der alten Etwashausener Gasbeleuchtung“, stellte Kehrwieder fest. „Die Gasversorgung der Stadt wurde aber kurz nach dem Krieg aufgegeben. Alle Straßen wurden elektrisch beleuchtet.“
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Genoveva hatte eine Idee und brachte den Ruheständler auch noch dazu, sie ins Rathaus zu begleiten. Dort brachten sie den Kulturdezernenten Friedbert Dünger dazu, auf den Stadtrat einzuwirken, damit er grünes Licht für die Umsetzung der Idee gibt: die Laterne auf elektrischen Betrieb umzubauen und wieder in Betrieb zu nehmen.
„Viel zu teuer. Wo soll die Lampe denn dann hin? Umbau geht sowieso nicht“, lauteten die Einwände der Bedenkenträger im Rathaus, bis Dünger und Kehrwieder damit drohten, die UNESCO einzuschalten.
Dünger hatte sich inzwischen mit Herwig Stier, dem Traditionsbeauftragten der Bahn, in Verbindung gesetzt. Um seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen, erwähnte er beiläufig, dass die Bahn für die neue Nutzung des Lagerhauses eine Betriebgenehmigung der Gemeinde benötigen würde. Stier, dem die Lampe auch gefiel, kam daraufhin auf die Idee, die Elektrowerkstatt des Bahnbetriebswerks könnte ihre Lehrlinge ja an den Umbau setzen und damit das hohe Ausbildungsniveau sichtbar unter Beweis stellen. „Sogar in der Nacht sichtbar“, fügte er lächelnd hinzu. Schnell hatte er Bahnchef R.G. von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens überzeugt.
Daraufhin gingen der Opposition im Stadtrat die Argumente aus. Als dann auch noch Feuerwehrhauptmann Alexander Hellmann die große Drehleiter zur Montage der Laterne anbot, war Bürgermeister Wilhelm Meyer mit von der Partie. „Ich kümmere mich um die Versicherungsfragen“, sagte er. Damit war die Sache in trockenen Tüchern. Die Lehrwerkstatt baute die Laterne um. Als der Umbau von der Prüfbehörde abgenommen war, transportierte die Bahn sie auf einem Laster an die Hauptstraße, und mit Hilfe eines Flaschenzuges und der großen Drehleiter montierten die Feuerwehrleute unter sachkundiger Anleitung die neue Gaslaterne am ersten Mast südlich des Trafohäuschens.
Jetzt markiert ihr warmweißer Schein die Einmündung des Wiesenwegs, und die meisten Einwohner freuen sich, dass an dem nüchternen Leitungsmast eine kunsthandwerklich herausragende Schmiedearbeit ihren Platz gefunden hat und auch noch nützlich ist.