Nach peinlichem Zwischenfall am Kiosk in Wildenranna
Etwashausen, 4. August (Eigener Bericht). Nach einem peinlichen Zwischenfall vor dem Bahnhofskiosk ist ein heftiger Streit über die Zukunft der letzten Pferdefuhrwerke in Wildenranna entbrannt. Während der Verlegerverband forderte, sie vollends aus den Straßen zu verbannen, setzten sich Touristenvereinigungen und der Bauernverband für den Verbleib der vierbeinigen Antriebseinheiten ein. Tierschützer reagierten zunächst unentschlossen. Den Anlass lieferten einige Pferdeäpfel, die ein Ross der Spedition Geber auf der Bahnhofstraße hatte fallen lassen.
Der Nachlass des Pferdes war ausgerechnet vor einem Kundenstopper einer Boulevardzeitung auf die Straße geplumpst. Ein Passant meldete das umgehend dem Kioskbesitzer Christian Paulus, der wiederum die Polizei rief.
Polizist Siegfried Rudolph erklärte, es sei bislang nicht strafbar für Pferde, sich auf der Straße zu erleichtern. Auch die Ortssatzung beinhalte lediglich ein mit geringem Bußgeld bewehrtes entsprechendes Verbot für Menschen und Hunde, aber nicht für Pferde. Rudolph erklärte sich nach kurzer Rücksprache mit Kutscher Uhl aber dennoch bereit, etwas für die Entsorgung zu tun, und rief Schäfer Pümbel an. Der zeigte sich geradezu angetan von der Aussicht auf weiteren kostenlosen Dünger für seine Weiden und rückte umgehend mit einer Schaufel, einem Schlepper und einem kleinen Anhänger an. Als die Dämmerung einsetzte, war die Straße wieder sauber.
Zwischenzeitlich waren die Pferdeäpfel aber zum Politikum eskaliert. Ein Bürger hatte anonym den Verlegerverband benachrichtigt, weil er in dem Zwischenfall eine bewusste Provokation des Verlages mutmaßte, der es entgegenzuwirken gelte.
Spediteur Robert Geber als Inhaber des Fuhrunternehmens entschuldigte sich für die Fahrlässigkeit seines Pferdes mit den Worten, es sei schon recht alt und habe seinen Verdauungsapparat nicht immer unter Kontrolle. Geber lehnte es ab, fortan auf Pferde als Betriebsmittel zu verzichten. „Unter gewissen Voraussetzungen haben sie immer noch ihre Berechtigung“, sagte er den „Etwaigen Nachrichten“. Früher oder später werde sich das Problem dennoch erledigen, denn Lastkraftwagen aller Größen würden mit zunehmender Massenproduktion immer wirtschaftlicher.
Dennoch forderte der Verlegerverband die Stadtverwaltung auf, sie möge solchen Affronts einen Riegel vorschieben, am besten mit einem Bann gegen Pferdefuhrwerke.
Dem widersprachen der Bauernverband und die Vereinigung zur Sicherung natürlicher Sekundärrohstoffe (VSnS). Beide erklärten, Pferdefuhrwerke gehörten zum Stadtbild. Die Versorgung mit Waren auf umweltfreundlichen Verkehrsmitteln sei ohnehin unterentwickelt in Etwashausen und Wildenranna. Außerdem sorgten Pferdeäpfel für die Erhaltung der Vielfalt der Vogelwelt – „Tausende Spatzen können nicht irren“, schrieb Pressereferent Hans-Georg Sorge – und dienten bei fachgerechter Weiterverwendung als natürlicher Dünger.
Gewisse Probleme mit der Bewertung des Falles hatte die örtliche Tierschutzvereinigung. Deren stellvertretende Artenschutzbeauftragte Fidelitas Lang-Siebenstern erklärte, man sehe wohl, dass die Pferde vor einem Fuhrwerk nicht artgerecht ihre ursprünglichen, auf die freie Wildbahn ausgerichteten Verhaltensweisen ausleben könnten, aber immerhin würden zumindest die Geberschen Kaltblüter nicht ins Joch gezwungen. Den Nutzen des Sekundärrohstoffes sehe man dagegen auch. Im übrigen sei der Vorwurf der Provokation bis jetzt nicht belegt worden, und Geber, ein ehrbarer Bürger dieser Stadt, solle sich überlegen, ob er nicht Klagen gegen Unbekannt wegen Verleumdung, übler Nachrede oder Geschäftsschädigung anstrengen solle. „Kurz und gut“, schloss die Stellungnahme, „wegen eines Einzelfalles sollte man nicht so ein Geschiss“ machen.
Dem schloss sich die Stadtverwaltung an, wenn auch nicht mit derselben Wortwahl. Der Fall sei in wenigen Stunden „im wahrsten Sinne des Wortes bereinigt“ worden, hieß es in einer Stellungnahme. Aus einem Pferdeapfel einen Elefanten zu machen, sei unangemessen. Außerdem zeige der Fall beispielhaft, wie Bürger untereinander kostengünstig und ohne große Inanspruchnahme von Behörden kleinere Konflikte lösen könnten. Der Stadtrat betrachte die Angelegenheit deshalb als erledigt. Traditionsbeauftragter Herwig Stier ergänzte im Gespräch mit den „Etwaigen Nachrichten“: „Wir sollten froh sein, dass wir die Pferde noch haben. Wer weiß, was uns das Autozeitalter noch beschert.“