Nach sensationellem Fund: Gastwirtin lässt Tradition neu aufleben
Etwashausen, 27. Februar (Eigener Bericht) Das „Gasthaus zur Post“ hat sein historisches Aushängeschild zurück. Das lange verschwundene Symbol gastlicher Gemütlichkeit, das in alten Zeichnungen und Fotos des Gebäudes zu sehen ist, schmückt seit einigen Tagen wieder die Fachwerkfassade. Die „Etwaigen Nachrichten“ berichten exklusiv von einem erfolgreichen Findungsprozess.
Das Schild mit dem seltenen grünen Posthorn wurde im 18. Jahrhundert geschmiedet, als die Posthalterei von Etwashausen zum Gasthaus zur allgemeinen Nutzung umgewidmet wurde. Seitdem durften auch Einheimische neben den mit der Postkutsche reisenden Touristen dort Speisen und Getränke zu sich nehmen, was die Verständigung zwischen den Fremden und den Einheimischen merklich förderte. Postwirtin Dorothea Talbauer erzählt: „Diese Umwidmung sollte für unsere Vorfahren überlebenswichtig werden, denn als Mitte des 19. Jahrhunderts die Eisenbahn nach Etwashausen kam, erübrigte sich die Posthalterei völlig, weil kaum noch jemand mit der Kutsche reiste.“ Danach habe sich das Gasthaus zu einem normalen Hotelbetrieb entwickelt, der er heute noch ist.
Bis zum Neubau der Bundespost in der Hauptstraße blieb aber eine Poststelle im ersten Stock, zu deren Duldung sich die Talbauers verpflichten mussten. „Das störte den Betrieb sehr, denn der Schalterraum machte es unmöglich, in der ersten Etage Hotelzimmer mit Blick auf unseren historischen Marktplatz einzurichten und zu vermieten.“
Das schmiedeeiserne Schild über dem Eingang galt als verschollen, seit vor mehr als 20 Jahren das Fachwerkhaus von einer anderen Eisenbahnanlage abgerissen wurde. Als das Gebäude später in Etwashausen wiedererstand, war das Schild zunächst nicht mehr zu finden. Schon wurde gemutmaßt, Antiquitätensammler hätten es mitgehen lassen. Eine europaweite Fahndung bei Altwarenhändlern und Auktionshäusern brachte kein Ergebnis.
Vor zwei Wochen jedoch begann Klaus-Dieter Schulze-Hartnack, der stadtbekannte Salonbolschewist, endlich einmal seine Wohnung in der Hauptstraße aufzuräumen. Zu dieser gehörte auch ein Mansardenraum unterm Dach des Gründerzeitbaus. Dort entdeckte er einen alten Ohrensessel. „Den könnte ich als guten Platz zum Philosophieren wieder ins Wohnzimmer stellen. Vielleicht fällt mir ja eine neue Sozialismustheorie ein“, dachte er bei sich und saß kurz Probe, wobei dem Polster eine dicke Staubwolke entwich. Als er den Sessel zum Entstauben von der Wand wegrückte, entdeckte er hinter der großen, breiten Lehne – das Postwirts-Schild. Daneben ein brüchiges Stück Stoff, das sich als Transparent entpuppte.
Kurzfristige Handgreiflichkeiten
Als das Gröbste aus den Polstern heraus war und sich die Staubwolken unterm Dach verflüchtigt hatten, setzte Schulze-Hartnack sich in den Sessel und grübelte, den Blick fest auf die halb verblichenen Buchstaben des Transparents gerichtet. Da stand: „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ „Wie kommt das Postschild wohl da hin?“, fragte er sich, und langsam dämmerte es ihm. Dunkel tauchte vor seinem inneren Auge eine Demonstration gegen die Staatsmacht auf, die mit Hilfe der Bundespost und anderer Repressionsinstrumente das Volk immer weiter knechtete.
Der Aufzug endete damals auf dem Etwashausener Marktplatz. Dort artete er kurzfristig in Handgreiflichkeiten und Gewalt gegen Sachen aus, als Polizeiobermeister Siegfried Rudolph durch den Lautsprecher seines Peterwagens die rund 20 Teilnehmer aufgefordert hatte, sich zu zerstreuen. Bevor die Staatsgewalt jedoch Maßnahmen einleiten musste, taumelten die meisten Teilnehmer aufgrund der inzwischen verstärkt einsetzenden Wirkung der zuvor konsumierten Betäubungsmittel von selbst in alle Richtungen davon. „Gut, dass es da keine Fotos mehr gibt“, sinnierte der altgewordene Demonstrant Klaus-Dieter. „Irgendjemand muss das Schild abgerissen und es mir in die Hand gedrückt haben. Oder habe ich vielleicht selber…?“
Schulze-Hartnack brachte den sauberen Sessel in seine Wohnung und trug das Schild zu Talbauer in die Gaststube. „Sehen Sie mal, was ich hier habe“, begrüßte er die Wirtin mit freudigem Gesicht. „Sie können das doch sicher noch gebrauchen?“ Dorothea Talbauer antwortete ebenso erfreut: „Aber ja! Wo haben Sie das denn her?“ Der „Finder“ murmelte, leicht verlegen, etwas von „Dachbodenfund“ und betonte, wie sehr er sich freue, es zurückgeben zu dürfen. „Wir lassen es sofort wieder montieren“, schlug Talbauer vor und griff zum Telefon. Sie hatte aus den Zeiten der Zusammenarbeit noch Beziehungen zur Bundespost. Deren Montagetrupp, der eigentlich Telefonanalgen baut, kam, stellte die Leiter auf, zwei Techniker griffen zu Bohrmaschine und Aluminiumwinkeln und montierten das Schild wieder an seinem angestammten Platz. „Das machen wir doch gerne“, hatte Posthauptschaffner Bernd Klein nach kurzer Rücksprache mit seinem Dienststellenleiter erklärt. „Schließlich ist es ja auch ein bisschen Reklame für uns.“
Talbauer, die Schulze-Hartnacks Vergangenheit in groben Zügen kannte, sagte augenzwinkernd: „Ich nehme an, Sie verzichten auf Finderlohn?“ Der Angesprochene zwinkerte zurück: „Aber klar!“ Sie ließ sich aber doch dazu hinreißen, ihm für die nächsten vier Monate je einen Abend freie Getränke zu spendieren. Schulze-Hartnack dachte bei sich: „Da bin ich ja noch gut weggekommen“, bedankte sich artig, ging nach Hause, setzte sich in seinen Ohrensessel und überlegte, wen er am ersten Abend an den Tisch im Gasthaus zur Post einladen sollte.