Wildenrannas Wirtschaft wächst und wächst
Bis in die Nacht herrscht in Wildenranna reges Wirtschaftsleben. Jetzt wurde eine eigene Lkw-Waage in Betrieb genommen.
Etwashausen, 22. August (Eigener Bericht) Im Nachbarort Wildenranna entwickelt sich zunehmend ein eigenes kleines Wirtschaftswunder. Neidisch schauen die Etwashausener auf die steigenden Umsätze, mit denen mehr Gewerbesteuereinnahmen verbunden sind. Aber es tun sich auch schon erste Probleme auf.
Es begann damit, dass einzelne Fernzüge nach Etwashausen aus technischen Gründen bis Wildenranna verlängert wurden, und sei es nur, um sie im dortigen Kopfbahnhof über Nacht abzustellen. Als Fahrgäste das merkten, verlangten sie, dass sie mitfahren könnten, und die Bundesbahn, für ihren Service weit über die Grenzen hinaus bekannt, entsprach diesem Wunsch. „Wenn wir sowieso dorthin fahren müssen, können wir die Kilometer auch verkaufen“, sagte Bahnchef R.G. in einer Vorstandssitzung.
Inzwischen wird die Leistungsfähigkeit der eingleisigen Strecke mit ihrer starken Steigung auf eine harte Probe gestellt: Güterzüge bedienen das Sägewerk, der Schafzuchtbetrieb und den Metallhandel. Zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, und den stündlichen Nahverkehrszug über Etwashausen nach Neustadt ergänzt ein Verkehr mit modernen Schienenbussen im Halbstundentakt.
Mit dem Anstieg des Güteraufkommens auf der Schiene wuchs auch der Bedarf von Straßentransporten – einerseits um die Güter weiter zu verteilen, andererseits um die Güterzüge zu entlasten.
Reger Betrieb am neuen Zeitungskiosk neben dem Bahnhof.
Das alte hölzerne Bahnhofsgebäude kann den Ansturm der Pendler kaum noch bewältigen. Schon gibt es erste Klagen der Fahrgäste über den einzigen Fahrkartenschalter. Auch die Beamten beschweren sich über zu viel Arbeit und ruppiges Kundenverhalten.
Die Frage, nach einem Bahnhofsneubau aber vertagte G. in der Vorstandssitzung ebenso wie einen Antrag des Betriebsrats der Bahndirektion Etwashausen auf die Einstellung zusätzlichen Personals. „Ein Sommer macht noch keinen Aufschwung“, vertröstete er die Arbeitnehmervertreter.
Neben dem Bahnhof hat ein Zeitungskiosk aufgemacht, an dem bereits in der ersten Öffnungswoche reger Betrieb herrschte. Zahlreiche Pendler nutzen das Angebot, um sich vor dem Gang ins Büro oder vor der Fahrt mit dem neuen Schienenbus mit Lesestoff zu versorgen. Auch eine kleine Auswahl an Getränken und Süßigkeiten bietet Wolfgang Klein in dem ansprechend gestalteten Neubau an. „Wenn das so weitergeht“, sagte er den „Etwaigen Nachrichten“, kaufe ich mir auch noch einen Würstchenkocher und eine Bierzapfanlage.“ In Wildenranna gibt es bisher keine Gastronomie.
Der spektakulärste Neubau in dem einst so verschlafenen Dorf ist die neue Lkw-Waage. Hier werden Laster kontrolliert, ob sie ihre Gewichtsvorgaben einhalten.
Als die ersten Prüfungen begannen, beeilte sich die Handelskammer zu protestieren, dass mit solcher überflüssiger Bürokratie der Aufschwung gleich wieder im Keim erstickt werden würde. Betreten schwieg der Kammervertreter allerdings, als am zweiten Tag ein überladener Lkw aus dem Verkehr gezogen wurde, bei dem, wie sich anschließend herausstellte, auch noch die Bremsen bis zur Unbrauchbarkeit abgenutzt waren. „Ein Einzelfall“, murmelte der Sprecher auf Nachfrage der „Etwaigen Nachrichten“.
Der Güterumschlag in Etwashausen profitiert auch von dem Boom im Nachbarort.
In Etwashausen selbst wird die Entwicklung mit gemischten Gefühlen gesehen. „Wenn das so weitergeht, werden wir noch abgehängt“, sorgte sich Bürgermeister Wilhelm Meyer. „Ich bin gespannt, wann der erste Zug eingerichtet wird, der hier gar nicht mehr anhält, sondern nur noch in Wildenranna“, unkte die Gesellschaftsbeauftragte Hanna L. Muthesius. „Noch ist es nicht wo weit“, beruhigte Bahnhofsvorsteher Jakob Claus. Und Güterbahnhofschef Jürgen Vogel ergänzte: „Bisher profitieren wir auch von dem Boom. Noch nie wurde so viel in unserem Bahnhof umgeschlagen wie im letzten halben Jahr.“ Dem Wirtschaftsdezernenten wurde der Auftrag erteilt, die noch offene Frage der Neuansiedlung von Industrie auf dem Gelände der Farben AG absolute Priorität einzuräumen.
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