Nummer 119: Tippfehler verhinderte D-Zug-Probefahrt

Ursache unklar – Scherz oder Provokation möglich – 27. Februar 2011

Zunächst versuchte es Junglokführer Ralf Adler mit dem Viehwaggon, bis Wieland Hellmich den Fahrdienstleiter einschaltete.

Etwashausen, 27. Februar (Eigener Bericht). Der Lokführer der schnittigen Schnellzuglok E 19 11 staunte nicht schlecht, als sich am Samstagabend ein Viehwaggon auf seine Maschine zu bewegte. Eigentlich hatte er Schnellzugwagen erwartet. Der Zug sollte am Sonntag eine geheime Probefahrt für die geplante D-Zug-Verbindung Garmisch – Westerland absolvieren. Bis das Missverständnis aufgeklärt war und der richtige Waggon am Haken hing, verging so viel Zeit, dass die Probefahrt auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste. Schuld an dem Debakel war ein Tippfehler.
Wenn es stimmt, dass misslungene Generalproben eine Garantie für erfolgreiche Premieren sind, dürfte die erste offizielle Fahrt des Fernschnellzuges „Baron Münchhausen“ von Garmisch über Bayreuth, Bodenwerder, Etwashausen und Hamburg nach Westerland auf Sylt ein äußerst glanzvolles Ereignis werden. Die für das Wochenende geplante Probefahrt ging jedenfalls voll daneben.
Es begann am Freitagabend schon damit, dass die V 200, die den Zug eigentlich ziehen sollte, nicht aufgetankt war und in der ganzen Stadt kein Diesel mehr aufzutreiben war. Das war die große Chance für die E 19, die erst vor wenigen Wochen in Etwashausen stationiert worden war. Lokführer Wieland Hellmich freute sich schon, sie bei der Probefahrt einmal richtig ausfahren zu können.
Am Morgen stellte er seine Lok bereit und wartete. Gegen 09.00 Uhr sollte der Zug starten, und eine Stunde vorher war noch nicht ein D-Zug-Wageangekuppelt. Fahrgäste sollte der Zug aus Geheimhaltungsgründen diesmal noch nicht aufnehmen.
Aus der Geheimhaltung wurde dank der guten Kontakte der „Etwaigen Nachrichten“ aber nichts. Das Team um Fritz P. erfuhr von der Probefahrt, so dass der Fotograf rechtzeitig vor Ort war. Er sah aber etwas anderes als erwartet. Er konnte keinen D-Zug fotografieren. Immerhin hielt er den Moment fest, als das Schicksal seinen Lauf nahm.
Junglokführer Ralf Adler schob mit seiner kleinen T3-Dampflok ganz langsam einen Viehwaggon auf die E 19 zu. Hellmich sah das, sprang aus seinem Führerstand, lief auf Adler zu, der seine Lok abbremste, und fragte ihn: „Was soll das denn? Hier soll ein Fernschnellzug zusammengestellt werden.“

Normalerweise fährt die kleine T 3 ordentlich Stückgut von Etwashausen zum Ladegleis von Wildenranna.

Adler sagte, er habe sich schon über die merkwürdige Bezeichnung für den Tiertransporter gewundert und zeigte ihm den Dispo-Zettel. Da stand zwar, er solle einen Fernschnellzug zusammenstellen. Aber der erste Waggon hinter der Lok sollte ein „Schafwagen“ sein. „Das gibt’s doch gar nicht“, dachte sich Adler. Zunächst war er stolz darauf, tatsächlich einen Viehwaggon zu finden, in dem zuletzt Schafe transportiert worden waren. „Ich habe ihn von der Schaffarm in Wildenranna geholt“, sagte er.
„Du bist selbst ein Schaf“, sagte Hellmich. „Was glaubst Du denn, was ein Viehtransporter in einem D-Zug soll?“ Adler zuckte die Schultern. Er hatte immer noch nicht begriffen. „Mann, das soll ‚Schlafwagen’ heißen!“, rief Hellmich. Adler wurde rot. Langsam begann er zu verstehen, dass er in die völlig falsche Richtung gedacht hatte.
Der erfahrene Lokführer lief zum Stellwerk hinüber, hastete die Stiegen hoch und ging mit dem Dispo-Zettel zum Fahrdienstleiter. „Da habt ihr ja einen schönen Mist gebaut!“, sagte er. Als Klaus Neuerburg den Tippfehler auf dem Papier sah, sagte er nur: „Verdammt! Das gibt’s doch nicht, dass der das nicht merkt.“ Also schrieben sie für Adler ganz langsam und korrekt eine neue Disposition.
Damit fuhr er den Viehwaggon wieder nach Wildenranna und holte aus dem Wagenwerk den Schlafwagen, den er dann an die E 19 kuppelte. Es folgten ein Speisewagen sowie ein 1.- und ein 2.-Klasse-Wagen. Von einem Gepäckwagen wurde zunächst abgesehen, weil ja sowieso keine Fahrgäste mitfahren sollten, es also auch kein Gepäckaufkommen geben würde.

Am Ende war doch der richtige Wagen am Haken, aber die Probefahrt wurde erst einmal verschoben.

Danach allerdings kam eine neue Anweisung aus der Bahnzentrale. Die Probefahrt wurde erst einmal abgeblasen. Der neue Zeitpunkt wird rechtzeitig bekannt gegeben“, hieß es lapidar in dem Telex. Da hatte Junglokführer Adler gerade noch die Gelegenheit, den Schlafwagen wieder aufs Abstellgleis zu fahren, bevor er und Fahrdienstleiter Neuerburg sich in der Bahnzentrale den Rüffel für den Tippfehler und das mangelhafte Mitdenken abholten.

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