Porsche konfisziert – Sie musste in einer Ente mitfahren
Voller Verachtung schaut Hanna L. Muthesius den Polizisten an, als er ihr einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens ausstellt.
Etwashausen, 22. März (Eigener Bericht). Die Gesellschaftsbeauftragte der Stadt, Hanna L. Muthesius, hat im Stadtrat ein flammendes, aber wirkungsloses Plädoyer gegen den Polizeistaat gehalten. Grund war ein Strafzettel, den sie von Polizeiobermeister Siegfried Rudolph wegen zu schnellen Fahrens in Wildenranna erhalten hatte. Außerdem wurde ihr Fahrzeug konfisziert.
Es begann mit einer rasanten Fahrt auf der frisch gepflasterten Sägewerkstraße in Wildenranna. Wie immer, wenn Hanna in ihrem leuchtend roten Porsche 356 unterwegs ist, ergriffen auch am Dienstag die meisten anderen Verkehrsteilnehmer blitzartig die Flucht. Nur Rudolph stellte sich ihr todesmutig mit seinem „Bullen-Bulli“, wie der grüne VW-Bus in der Stadt scherzhaft genannt wird, in den Weg und schwenkte seine Kelle. Wider Erwarten schaffte Hanna es, rechtzeitig vor der Sperre zum Stehen zu kommen. Sie stieg aus und zupfte ihr gelbes Kleid zurecht.
„Was soll denn das? Ich hab’s eilig!“, herrschte sie Rudolph an.
„Sie sind zu schnell gefahren und haben andere Verkehrsteilnehmer gefährdet“, antwortete der Polizist betont gelassen.
„Das ist ja wohl die Höhe! Wissen Sie nicht, wer ich bin?“, fauchte Muthesius wütend.
„Gut, dass Sie von selbst darauf kommen. Kann ich mal Führerschein und Zulassung sehen, bitte? Da steht es ja wahrscheinlich.“
Hanna versuchte ihn zu ignorieren und machte Anstalten, wieder einzusteigen. „Zu schnelles Fahren, Behinderung der Ermittlungen…“ begann Rudolph mit der Aufzählung von Straftatbeständen. Das wirkte. Schon nestelte Muthesius in ihrer Handtasche herum und reichte ihm mit Todesverachtung ein Ausweispapier hin.
„Das ist der Führerschein, danke. Und jetzt noch den Kfz-Schein“, bat er.
„Hab’ ich nicht dabei. Und jetzt lassen Sie mich bitte weiterfahren“, entgegnete die Dame resolut.
„Das wären dann erst mal zwölf Taler für zu schnelles Fahren und drei Taler dafür, dass Sie die erforderlichen Papiere nicht mit sich führen. Da ich nicht feststellen kann, ob Sie die rechtmäßige Eigentümerin des Fahrzeuges sind, muss ich es leider beschlagnahmen.“
Hanna L. Muthesius, die Gesellschaftsbeauftragte der Stadt, war sprachlos. Dieses Phänomen war bisher noch nicht öffentlich beobachtet worden. Sie schnappte nach Luft, und Rudolph machte sich schon Sorgen um ihre Gesundheit.
„Wie soll ich denn jetzt weiterkommen?“, fragte sie. „Nicht mein Problem“, antwortete Rudolph. „Auf jeden Fall nicht mehr so schnell wie eben.“
„Das wird Folgen für Sie haben“, drohte Hanna und machte sich zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof. Schon ein paar Meter weiter wartete die Rettung. Ein netter älterer Herr war gerade dabei, einen Jutesack in einen Citroen 2 CV zu laden.
Hanna atmete zweimal tief durch, rückte sich Frisur und Mieder zurecht, setzte ihr verbindlichstes Lächeln auf und sprach den Mann freundlich an. Sekunden später waren sie sich einig. Er fuhr sowieso nach Etwashausen, und Hanna schwang sich auf den Beifahrersitz. Fast wäre sie wieder aus dem Auto heraus gefallen, so federte es nach, als sie Platz nahm. Das war sie vom Porsche nicht gewöhnt.
In selten gekannter Höflichkeit bittet Hanna den Enten-Fahrer, sie mitzunehmen.
„Geht das nicht ein bisschen schneller?“, fragte sie, als sie den Berg hinunterfuhren.
„Wie – schneller?“ Der Enten-Fahrer verstand nicht, was sie meinte, und schaukelte gemütlich weiter.
Vor dem Dorfkrug hielt er an. „Hier muss ich den Sack abliefern“, sagte er.
„Ach, das war es schon?“, fragte Hanna. „Ich dachte, Sie fahren in die Stadt.“ Ihre Freundlichkeit war schon wieder dahin. „Und wie soll ich jetzt weiterkommen?“
„Zu Fuß? Mit dem Bus?“, schlug der hilfsbereite Herr vor, verabschiedete sich und verschwand im Dorfkrug.
Die Ente parkt vor dem Dorfkrug.
Während Muthesius sich noch aufplusterte, hörte sie von der Bank vor der Kneipe eine Frauenstimme: „Hallo Hanna“, rief Hedwig Munke, die sich da sonnte, „haben Sie ein neues Auto?“
Die Munke, eine Freundin von Genoveva F., hatte ihr gerade noch gefehlt. „Quatsch! Der Herr hier hat mich mitgenommen. Ich hatte eine – äh – Panne mit dem Porsche.“
Bevor es zu intensiveren Erörterungen ihres peinlichen Missgeschicks kommen konnte, straffte Hedwig ihr Kleid und ging zur Bushaltestelle. Glücklicherweise war niemand, den sie näher kannte, im Bus. Als sie 45 Minuten zu spät zur Stadtratssitzung kam, ließ sie erst einmal eine Philippika gegen den Polizeistaat in Etwashausen und Wildenranna los.
Der Beifall war recht spärlich, und Bürgermeister Wilhelm Meyer murmelte dem neben ihm sitzenden Kulturdezernenten Friedbert Dünger zu: „Nächstes Jahr sollten wir uns mal nach einer neuen Gesellschaftsbeauftragten umsehen.“
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