Wirtin: Wir stehen vor der Pleite – Gibt der Regierung die Schuld
Etwashausen, 22.August (Eigener Bericht). Das Gasthaus zur Post am Marktplatz steht vor einem radikalen Umbau. Exbahnchef Heinrich Martin, früher nur als “H.M.” bekannt, soll den maroden Laden wieder in die Gewinnzone bringen. Er erwarb das Gasthaus von der bisherigen Wirtin Dorothea Thalbauer. Diese gab der Regierung die Schuld an dem stetigen Niedergang des Hauses. Wettbewerber der “Post” erklärten jedoch auf Anfrage der “Etwaigen Nachrichten”, die bisherige Leitung habe die Zeichen der Zeit verschlafen.
Thalbauer, die den altehrwürdigen Betrieb in dem mehr als 200 Jahre alten Fachwerkhaus seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren leitet, schwieg ebenso über den Preis der zentral gelegenen Immobilie wie Martin. Sie sagte den “Etwaigen Nachrichten” aber, sie stehe vor der Pleite. “Schuld ist die Bundesregierung, weil sie Steuererleichterungen für Hotels und Gaststätten auf das nächste Jahrhundert verschoben hat.” Da könne man ja nicht auf einen grünen Zweig kommen, meinte sie.
Pit Krüger, der “Pits Café” zwei Straßen weiter betreibt, meinte dagegen: “Ich will ihr ja nicht zu nahe treten, aber sie hat das Wirtschaftswunder und die neuen Ansprüche der Gäste komplett ignoriert.” Pit hatte sich in der Stadt erfolgreich als Spitzengastronom ins Gespräch gebracht, indem er publik gemacht hatte, dass er persönlich Kräuter aus der Provence für seine Gerichte importiert.
“Ich habe alles dem alten Bahnchef gegeben”, sagte Thalbauer, die sich jetzt in Wildenranna niederlassen will. Martin hatte sich vor mehr als zwei Jahren nach Etwashausen in ein Haus im Wald an der Forsthauskurve zurückgezogen. Nachdem sich der Wirbel um seine Pensionierung gelegt hatte, war er immer öfter in Gasthäusern der Stadt gesehen worden.
Seine Stammkneipe war bisher der Dorfkrug. Dessen Wirt Egon Pielke hatte daraufhin “Hackbällchen à la Martin” auf die Speisekarte genommen. “Er wollte auch meinen Laden kaufen”, verriet Pielke, “aber ich will ihn behalten.” Nun muss er sich möglicherweise auf die Konkurrenz durch seinen ehemaligen Stammgast gefasst machen. Sehr große Sorgen mache er sich aber deswegen nicht. Unter den Etwashausener Gastronomen kursierten schon erste Witze über den Sanieret: “Was macht er als erstes, wenn er morgens in seinen neuen Laden kommt? Er erledigt die Post!”
Martin selbst äußerte sich nicht sehr konkret über seine Pläne. “Wir müssen erst mal sehen, wo wir stehen.” So, wie die “Post” jetzt dastehe, könne es jedenfalls nicht bleiben. Er holte sich einige seiner früheren Mitarbeiter, die ebenfalls pensioniert sind, und besprach mit ihnen im engsten Kreise, was getan werden könne.
“Erst müssen wir ein Konzept ausarbeiten, das den Anforderungen der Etwashausener und ihrer Touristen und Geschäftsreisenden gerecht wird, und dann müssen wir wieder Vertrauen bei den Banken gewinnnen.” Vielleicht parkt Martin deshalb seit Bekanntwerden der Transaktion demonstrativ sein auffälliges Mercedes-Kabrio vor den Gästetischen der “Post”.
Im Lauf des Gesprächs mit den “EN” wurde er dann doch etwas konkreter: “Vielleicht bieten wir fürs Wochenende Billigtarife an.” Auch über die Umstellung des Restaurants auf Selbstbedienung habe er schon nachgedacht. Es gebe keine Tabus. Nur eins stehe schon fest: “Die Zimmer werden auf jeden Fall in anderer Reihenfolge nummeriert.“
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