Neue touristische Attraktion und mehr Platz für die Fahrgäste
Etwashausen, 14. Januar (Eigener Bericht) Trotz vereinzelter Skepsis in der Bevölkerung will die Bahn eine Fahrplan-Tradition aus früheren Zeiten aufnehmen: die Zugteilung. Der Personenzug von Wildenranna nach Neustadt wird künftig einen zweiten Teil erhalten, der in Etwashausen abgetrennt wird und nach Altdorf fahren soll. Eine Probefahrt erbrachte nur positive Effekte für Fahrgäste, Bahn und Kommunen. Die „Etwaigen Nachrichten“ durften mitfahren.
„Es ist eine Win-Win-Situation“, waren sich Bürgermeister Wilhelm Ulrich, Bahnchef R.L. und Fahrgastvertreter Mario Anhalt einig, die im Erster-Klasse-Abteil des Flügelzuges nach Altdorf den Fragen von Reporterlegende Fritz P. stellten. „Man nennt es auch Flügelung, wegen der Flügelzüge“, freute sich L. „Dadurch, dass wir zwei Züge zur selben Zeit über dieselbe Strecke fahren lassen, schaffen wir mehr Platz für mehr Züge auf der stark belasteten Achse Etwashausen-Wildenranna“, sagte der Bahnchef. Ulrich sagte, die Teilung eines Zuges in Etwashausen erhöhe die Attraktivität nicht nur für die Fahrgäste der betroffenen Züge, sondern auch für Touristen, die das komplexe technische Schauspiel am Bahnsteig stündlich live miterleben könnten. Bei der Probefahrt verliefen die Teilung des Zuges und seine Wiedervereinigung problemlos. Es dauerte nur ein Viertelstündchen.
Die Bahn stelle dazu modernste Infrastruktur zur Verfügung, ergänzte L. und verwies auf die automatischen Kupplungen an den Wagen-Enden und das Entkupplungsmodul, das von den Etwashausener Lokalbahnen bereitgestellt werde. „Daran könnten sich andere Bahnen, bei denen die Flügelung nicht so gut klappt, ein Beispiel nehmen.“
Worum geht es genau? Es betrifft die stündlich verkehrende Regionalverbindung zwischen Wildenranna, Etwashausen und Neustadt. Sie besteht entweder aus einem Schienenbus oder einem Zug aus einer Lokomotive und zwei Personenwagen, von denen einer mit zwei 1.-Klasse-Abteilen ausgestattet ist. Ihre Kapazität wird jetzt – zumindest zwischen den genannten Orten – genau verdoppelt, dazu kommt ans andere Ende des Zuges eine weitere Lokomotive. In Etwashausen wird der Zug in zwei gleich große Einheiten getrennt: je eine Lok und zwei Wagen. Die eine Hälfte fährt nach Neustadt weiter, die andere nach Altdorf. Anhalt lobte besonders die verbraucherfreundliche Ausgestaltung: „Zur Übersichtlichkeit trägt sehr viel bei, dass die beiden Zugteile mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet sind: Der herkömmliche Fahrtverlauf nach Neustadt wird mit einer grünen Lokomotive und grünen Waggons bedient, der neu hinzugekommene nach Altdorf mit einer roten Lok und roten Wagen. So wird für die Fahrgäste unübersehbar, wo die Grenze zwischen den beiden Flügelzügen verläuft“, meinte er.
Es wurde Zeit für eine solche Neuerung. Die Züge sind schon seit langem heillos überfüllt, unter anderem weil die Straßenverbindung jeder Beschreibung spottet, was Wirtschaftsvertreter auf ideologische Gründe zurückführen. „Die wollen doch nur mehr Verkehr auf die Bahn ziehen. Unseren Bedürfnissen wird dabei nicht Rechnung getragen“, klagte der Sprecher der Etwashausener Handelskammer, Sparkassendirektor Bernd Knobloch. Bahnchef L. relativierte das allerdings, indem er betonte, dass die Zusammenfassung zweier Züge zu einem Raum schaffe für mehr Gütertransport.
Kritik kam auch vom städtischen Bedenkenträger Klaus-Dieter Schulze-Hartnack. Er bemängelte, dass mit der Zugteilung eine Praxis aufgegriffen werde, die in anderen Fällen, etwa in Hamm, zu großer Verunsicherung bei den Fahrgästen und zu Verspätungen geführt habe, und verlangte „mindestens eine Dokumentation der Missstände jener Zeit“. Ulrich entgegnete, dass die verwendeten Kupplungstechnologien mehrfach getestet worden sein und sich als zuverlässig erwiesen hätten. Er hoffe, dass dies auch auf das betroffene Bahnpersonal zutreffe.
Der Bürgermeister gab bekannt, dass in der Stadt eine eigene Buslinie eingerichtet werde für Touristen und Einheimische, die dem Spektakel der Zugteilung bzw. -wiedervereinigung direkt am Bahnsteig verfolgen wollten. „Der Bus wird zunächst kostenlos fahren. Wir gehen davon aus, dass die Zuschauer genug Geld und damit Umsatzsteuer zahlen, um sich während der Dauer des Kupplungsvorgangs mit Imbiss und Getränken zu erfrischen.“ Diese Einnahmen würden dann den Bus finanzieren. Denkbar seien auch Landausflüge, falls es wider Erwarten doch einmal länger dauere, bis der Trennungs- bzw. Wiedervereinigungsvorgang beendet sei. Außerdem werde dafür gesorgt, dass die Passanten die Arbeit des Personals und den Zugang der Reisenden zu den Zügen nicht behinderten.
Bahnchef L. erläuterte noch, dass es nicht ganz einfach gewesen sei, die Kommunikation zwischen den Lokführern beider Seiten während der Fahrt sicherzustellen. Man habe dann beschlossen, durch den Zug eine Telefonleitung zu legen, die an der Waggon-Trennstelle ebenfalls mit einer Steckverbindung getrennt werden kann. Da ohnehin ein Beamter die korrekte Funktion der automatisch verlaufenden übrigen Trennvorgänge an dieser Stelle überwachen müsse, könne dieser auch gleich den Telefonstecker ziehen und die Leitung verstauen.
Bei der Redaktionsbesprechung für die Berichterstattung meldete sich auch Genoveva zu Wort, die es geschafft hatte, sich unter die Gäste der Probefahrt zu mischen: „Mir gefällt besonders, dass die Züge farblich leicht unterscheidbar sind. Das hilft, wenn man hin und wieder nicht ganz bei der Sache ist am Bahnsteig.“