Polizei weist Regelhasser in die Schranken
- Etwashausen, 25. November (Eigener Bericht) Die Polizei hat endlich den notorischen Linksfahrer gestellt. Am Donnerstagabend kam es zur Konfrontation zwischen der Ordnungsmacht und dem selbsternannten Verkehrs-Revolutionär, der seit Tagen die Straßen der beiden Dörfer unsicher macht.
Das Auto, ein weißes Goggomobil mit rotem Dach, war seit einiger Zeit dadurch aufgefallen, dass es mit hohem Tempo und laut hupend vorzugsweise nachts auf der falschen Straßenseite durch die Dörfer fuhr. „Und die Polizei tut natürlich mal wieder nichts!“, sagte Berta Ginster beim Tee in Pits Café. Rita Knobloch, die Gattin des Sparkassendirektors, pflichtete ihr bei: „Es muss wohl erst wieder was passieren, bevor die Beamten tätig werden.“
Dabei lief die Fahndungsmaschinerie bereits auf Hochtouren. Es gab zwar eine Menge Ohrenzeugen, aber niemand hatte das Auto wirklich gesehen, sodass es identifiziert werden konnte. Meist war es in den Schutz der Dunkelheit abgetaucht, bevor die aus ihrem Schlaf geschreckten Bürger wach genug waren, um beim Blick aus dem Fenster noch Marke und Kennzeichen des Fahrzeugs zu erkennen.
Eine Ausnahme bildete der Alt-68-er Klaus-Dieter Schulze-Hartnack, der anders als die meisten seiner Nachbarn regelmäßig sehr spät ins Bett geht. „Ich habe genau gesehen, dass es ein Goggo war“, gab er bei der Polizei an. Die schenkte ihm jedoch keinen Glauben. „Du hast doch um die Zeit schon einen im Tee“, sagte Polizeiobermeister Siegfried Rudolph.
Vor drei Tagen dann war der 16-jährige Ole B. nachts mit seiner neu erworbenen Kamera zugange, mit der er Fotos bei Dunkelheit üben wollte. Er konnte ein Bild aus dem dritten Stock seiner Wohnung schießen, als der Serientäter gerade wieder laut und viel zu schnell in der Waagenstraße einen VW-Käfer überholte. Dabei hätte der Goggo fast einen Buckeltaunus gerammt, der ordnungsgemäß unter der Laterne parkte. Auf dem Bild, das Ole stolz im Polizeirevier präsentierte, waren zwar weder Fahrer noch Kennzeichen zu erkennen, aber Rudolph wusste sofort: „Das ist der Goggo vom Seniorenbeauftragten!“
Ein Zeichen setzen
Rudolph versuchte, Anhalt zu Hause zu erwischen, traf aber weder ihn noch seinen Goggo an. Als er allerdings die Bahnhofstraße in Wildenranna entlangfuhr, sah er vor sich den Tatwagen, natürlich auf der linken Straßenseite. Dann ging alles ganz schnell: Rudolph beschleunigte, fuhr hinter ihm her, hupte ihn von der linken Spur weg, überholte ihn und stellte seinen Bulli mit elegantem Schwung vor das Goggomobil. Anhalt stieg in die Eisen, so gut es eben ging, und kam knapp vor dem Polizeiwagen zum Stehen.
„Was soll denn der Quatsch? Wissen Sie nicht, wie gefährlich das ist?“, fragte Rudolph den Seniorenbeauftragten, als er seine Personalien aufnahm.
Der gab alles zu und erwiderte trotzig: „Ich will damit ein Zeichen setzen.“
„Wie bitte? Das müssen Sie mir erklären!“
„Ich hasse Regeln. Ihr Obrigkeitsgläubigen merkt doch gar nicht, wie der Staat euch gängelt. Mit Freiheit hat das doch alles nichts mehr zu tun hier!“
„Sie wollen die Freiheit eines Geisterfahrers haben?“, fragte Rudolph ungläubig.
„Genau! Sie sehen doch, dass es völlig unfallfrei geht!“
„Ach! Früher oder später hätte es gekracht, das sage ich Ihnen.“
„Das sieht euch ähnlich! Vor Gefahren warnen, die es nicht gibt, und unter diesem Vorwand die Menschenrechte einschränken. Ich fordere Freiheit auf der Straße!“
Rudolph trat zwei Schritte vor und Anhalt voll auf den Fuß. „Aua! Was soll das?“, fragte der wütend.
„Ich habe mir die Freiheit genommen, dort hinzutreten, wo Ihr Fuß steht. Ich darf mich im öffentlichen Raum überall aufhalten. Steht im Grundgesetz.“
Anhalt atmete schwer und brauchte einen Moment, bis er sich gefangen hatte. „Das werden Sie bereuen! Ich zeige Sie an.“
„Bitte sehr“, meinte Rudolph. „Denk dran, Sie haben keine Zeugen. Aber ich habe Zeugen und ein Foto, wie Sie gegen Regeln verstoßen, und zwar ganz gefährlich. Deshalb kommen Sie jetzt erst mal mit, und dann werden wir sehen, ob Sie vor der nächsten Nachtfahrt vielleicht erst einmal einen Grundkurs in Gemeinsinn machen müssen.“ Und er nahm ihn mit aufs Revier.