Nummer 25: Bravo- und Buhrufe für Klimakämpfer

Transparent am Bahnsteig zum Empfang der heimkehrenden Protestierer

Der Regionalexpress hat gerade die Aktivisten entlassen. Rein zufällig befinden sich auch der Regional- beauftragte und der Bahnhofsvorsteher (Bildmitte) am Bahnsteig.

Etwashausen (Eig.Ber.) Mit einem Willkommens-Transparent, aber auch mit Buhrufen sind die vom G-8-Gipfel in Heiligendamm heimkehrenden Aktivisten am Samstag am Bahnhof begrüßt worden. Wegen des Plakats hätte es fast eine handfeste Auseinandersetzung über die Frage gegeben, ob auf Bahnsteigen ungenehmigt politische Aussagen getroffen werden dürfen. Nur dem besonnenen Eingreifen der Gleichstellungsbeauftragten Claudia Weiß ist es zu verdanken, dass der Empfang schließlich doch harmonisch endete.

Die fünf „Gipfelteilnehmer“, wie sie Grünen-Stadtrat Bernd Meyer bei der Begrüßung stolz bezeichnete, kehrten von ihrer bis zuletzt geheim gehaltenen Mis- sion wohlbehalten zurück. Nur die Rucksäcke waren hin und wieder ein bisschen nass geworden. Unbeliebt machte sich Bauer Hartmut Wolf. Kaum waren die „Glorreichen Fünf“ (Stadtrat Meyer) aus dem Zug gestiegen, meckerte er sie an: „Das hättet ihr mal auf meinen Feldern hinten am Bahndamm machen sollen“, schimpfte er. „Was denn?“, fragte Sascha Wendlandt eingeschüchtert, mit betont un- schuldigem Gesichtsausdruck. „Na, die Felder zertrampeln, bloß wegen diesem Zaun.“ Wendlandt entgegnete: „Die Versammlungsfreiheit ist eben nicht umsonst zu haben.“ Wolf meinte unter dem Brummen der übrigen Leute am Bahnsteig, er wisse gar nicht, was es hier zu feiern gebe, und der Bauernverband werde die Globalisierungsgegner schon in Regress nehmen. „Na, das möchte ich mal sehen, wo ihr Bauern wärt, wenn es in der Landwirtschaft die totale Globalisierung gäbe“, konterte Wendlandt. „Ja, da hast du auch wieder recht“ lenkte Wolf ein. „Übrigens – auf so einem Schlauchboot wäre ich auch gerne mitgefahren. Aber ohne diesen Protestkram dabei.“ – „Willst du einen Aufnahmeantrag haben?“, fragte der Aktivist. „Ach nee, lass’ man“, sagte der Landwirt. „Ich verstehe ja doch nichts von Politik.“
Gerhard Schlupp, der Regionalbeauftragte der Bahn, beriet sich mit Bahnhofsvorsteher Jakob Claus. Glücklicherweise stand die stadtbekannte Alkoholikerin Genoveva F. – relativ nüchtern – in Hörweite, so dass EN-Reporterlegende Fritz P. detailgenau informiert wurde.
„Der Schlupp wollte den Claus überreden, den Bahnhof zu räumen“, sagte F. „Er sagte, man dürfe keine ungenehmigten politischen Demonstrationen auf Bahngelände abhalten.“ Claus habe Bedenken geäußert. Schlupp solle das doch nicht so ernst neh- men, und außerdem entwickele sich doch ein durchaus kritischer Diskurs, und in zehn Minuten sei sowieso alles vorbei, und man habe auch gar nicht genug Kräfte.
„Dann nehme ich das eben selbst in die Hand“, sagte Schlupp wütend und lief auf den Transparentträger zu. Da stürzten aber auch schon Claus und die Gleichstellungsbeauftragte herbei und hielten ihn zurück. „Was sollen denn die Leute denken?“, fragte Weiß und wies mit einem Seitenblick auf die in unmittelbarer Nähe stehende Reporterlegende. „Sie wollen sich doch morgen nicht, handgreiflich werdend, in den ‚Nachrichten’ wiederfinden?“
Das wirkte. Schlupp verwarf zwar seine Pläne, sang aber nicht mit, als die kleine Gemeinde auf dem Bahnsteig das Lied „Danke“ anstimmte, auch um einen Übergang zum Evangelischen Kirchentag zu finden, zu dem sich mit dem nächsten Zug gleich wieder eine kleine Gruppe aus Etwashausen auf- machte. „Ja ja, es wird ein richtiger Reisesommer“ sagte Claus und tat so, als wäre nichts geschehen.

Mit seinem wenig klimafreundlichen Lanz Bulldog war Bauer Wolf zum Bahnhof gekommen.

Weiter hinten stritt sich Bahnforscher Wilhelm Föttingmeyer mit einem Demonstrant. „Ihr hättet ruhig eure Forderungen auf deutsch an das Schlauchboot schreiben können“, meinte Föttingmeyer. „Aber es war doch ein internationales Gipfeltreffen. Es sollte doch jeder an den Fernsehern in der ganzen Welt verstehen“, entgegnete der Aktivist. Föttingmeyer meinte: „Ihr regt Euch doch auch auf, wenn die Bahn ihre Tarife ‚Surf and Rail’ nennt, oder?“ – „Nö, mir ist das egal. Ich fahre sowieso meistens schwarz“, grinste der Demonstrant. Föttingmeyer protestierte: „Das geht aber nicht,. Dabei ist die Bahn doch so umweltfreundlich, da müsstet ihr doch eigentlich großzügig spenden! Aber mal ganz was anderes: Bist du auch mit der Dampfeisenbahn gefahren?“ – „Mit der Molli? Nee“, der Demonstrant schüttelte mit dem Kopf. „Die fuhr nur für die Anzugmänner und die Journalisten. Aber blockiert habe ich sie.“ Er lachte. Und dann machte sich die ganze Gruppe auf zu Pits Café, um auf den bunten Gipfel noch einen zu trinken – Genoveva voran. Fritz P. konnte nicht daran teilnehmen, denn er musste in die Redaktion, seine Geschichte schreiben. Schlupp hatte sich wieder beruhigt und gab eine Runde aus. „Schließlich seid ihr ja auch Bahnkunden“, sagte er leutselig. Aber am Schluss, als der Klingelbeutel kreiste, etwas für Greenpeace spenden, das wollte er dann doch nicht.

„Wer kommt noch alles mit zu Pit?“ Abschlussrunde des Ausflugs zum bunten Gipfel.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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