Lokführer des Güterzuges streikte im entscheidenden Moment
Festtagsstimmung in Gefahr
Etwashausen (Eig.Ber.) Wieder ein Transport auf die Straße verlagert: Der Weihnachtsbaum für Neustadt, der traditionsgemäß am Etwashausener Forsthaus gefällt wird, konnte nicht wie üblich mit einem Güterzug ans Ziel gebracht werden, weil ein Lokführer die Arbeit niedergelegt hatte. Ein Fernfahrer sprang ein und kam mit seinem Sattelzug.
Die erste Phase der Fällaktion verlief problemlos wie immer. Der beamtete Lokführer Horst Schulz stieg in die alte E 63- Rangierlok und brachte den Kranwagen in die Forsthauskurve. Dort musste ein Teil der Fahrleitung vorübergehend abmontiert werden, damit der Kran die etwa sieben Meter hohe Fichte hoch- und auf einen Rungenwagen hieven konnte. Rotkreuzhelfer Alex Gradener und sein Kumpel Maik Beyer zogen die orangenen Warnwesten an und halfen ihm, Beyer als Kranführer.
Das Ganze lief wieder als Benefizveranstaltung. Die Neustädter Stadtverwaltung stiftete 70.000 Taler für die Afrika-Hilfe. Der Strom für die Rangierlok wurde kostenlos zur Verfügung gestellt. „Aber mach’ sie nicht kaputt“, hatte Güterbahnhofschef Jürgen Vogel gemahnt.
Nach entsprechend vorsichtiger Fahrt kam der Zug wohlbehalten im Güterbahnhof an. Der Wagen mit dem Tannenbaum wurde aufs Ladegleis geschoben, und alle warteten gespannt auf die Ankunft des Güterzuges nach Köln, der sich bei einem Zwischenhalt in Neustadt seiner nadeligen Fracht entledigen sollte. Doch er kam nicht. „Das darf doch nicht wahr sein“, sagte Schulz. „Der wird doch nicht streiken?“ Ein Anruf in der Fahrdienstleitung brachte die schreckliche Gewissheit: Der Zug sei wegen des Lokführerstreiks komplett ausgefallen, hieß es.
„Da müssen wir improvisieren!“ Schulz griff erneut zum Telefon und läutete seinen alten Kumpel Manni Lindner, den Fernfahrer, an. Und glücklicherweise hatte der gerade eine Freischicht. „Na gut, ich fahre.“ Er musste nicht lange überredet werden. „Für den guten Zweck tue ich alles“, schmunzelte er. „Eigentlich wollte ich ja das Laub im Garten wegrechen. Aber das muss dann leider meine Frau machen.“ Er fuhr zur Tankstelle, entging dabei angesichts der Dieselpreise nur knapp einem Herzinfarkt und traf dann auch schon bald am Ladegleis ein. „Also wie kriegen wir den Baum jetzt hier drauf?“ Wieder half der Kran. In wenigen Minuten war es erledigt. Bayer, Gradener, Schulz und Lindner zurrten gemeinsam den großen Baum auf der Ladefläche fest.
Und kurz darauf machte sich der Lastzug auf den Weg nach Neustadt. Die freiwilligen Helfer
dort, die den Marktplatz mit der Fichte schmücken wollten, mussten zwar ein bisschen länger
als sonst auf ihren Weihnachtsbaum warten. Aber das verdarb die gute Stimmung nur ein ganz klein wenig.
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