Güterzug mit Schaf- und Biertransport wurde vorverlegt
Etwashausen (Eigener Bericht) Unter größter Geheimhaltung ist am Wochenende eine Ladung Schafe aus Wildenranna angekommen – vier Stunden früher als geplant. Damit kamen die Bahn und der Versender militanten Tierschützern zuvor. Diese hatten eine nicht näher beschriebene Aktion gegen den Transport angekündigt.
So wollten sie dagegen protestieren, dass die Schafe in der Metzgerei des Gasthofes zur Post geschlachtet und anschließend im Restaurant als Menü angeboten werden. „Dass sie als Wolllieferanten gnadenlos ausgebeutet werden, passt uns schon nicht. Aber wir akzeptieren es zähneknirschend“, sagte Klaus-Dieter Schulze-Hartnack, der Sprecher der Tierschützer im Gespräch mit den „Etwaigen Nachrichten“. „Aber dass sie einfach getötet werden, nur damit irgendwelche Oberschichtler eine Hammelkeule essen können, das wollen wir nicht mehr hinnehmen.“
Schulze-Hartnack hat sich schon öfter an die Spitze alternativer Strömungen gesetzt, weil er in Etwashausen „endlich etwas bewegen will“, wie er sagte. „Wir haben zwar die Sozis im Stadtrat, aber die machen ja sowieso mit den Konservativen gemeinsame Sache“, meinte er. „Da müssen wir einfach mal ein paar provokative Aktionen starten.“
Der Sprecher räumte ein, dass es ja nun diesmal nicht „optimal“ geklappt habe, wie er es formulierte. Wie die Recherchen der Reporterlegende Fritz P. ergaben, hatte Lokführer Wieland Hellmich rechtzeitig Wind von der Sache bekommen. Seine Frau hatte ihm davon erzählt. Sie arbeitet als Kellnerin im Gasthaus zur Post. Es müssen wilde Pläne gewesen sein, über die Schulze-Hartnack im Gespräch mit den „Etwaigen Nachrichten“ aber leider nicht ins Detail gehen wollte. „Du, die wollen deinen Zug überfallen“, hatte sie gesagt. „Wir sind doch nicht im Wilden Westen. Und überhaupt, woher weißt du das denn?“, hatte Hellmich entgegnet. „Die haben sich hier bei uns getroffen und das alles bequatscht“, sagte Anna. „Da müsste ich eigentlich zur Polizei gehen“, erklärte Hellmich nachdenklich. „Muss das sein? Eigentlich ist der Schulze-Hartnack ja ganz nett“, gab seine Frau zu bedenken.
Der Lokführer guckte seine Frau ein bisschen schräg an, dachte dann aber doch über eine andere Lösung nach. Er wollte schließlich auch keinen öffentlichen Ärger in der Stadt. Da kam ihm eine geniale Idee. „Wir verlegen den Transport einfach vor.“
Er rief in der Fahrdienstleitung an und fragte, ob er auch die Nacht durch fahren dürfe. Fahrdienstleiter Klaus Neuerburg schüttelte zwar verständnislos den Kopf, stellte dann aber doch einen Spezialfahrplan für den Tier- und Biertransport zusammen. In einem zweiten Waggon sollten größere Biervorräte nach Etwashausen gebracht werden.
Und so wurden die Schafe in Wildenranna schon am Abend verladen, mit einer großen Portion Futter, damit sie in der Nacht nicht allzu nervös wurden. Hellmich sorgte dafür, dass die Fahrt bis zum Morgengrauen dauerte. Dafür musste der Zug eine längere Pause am sogenannten Mühlengleis einlegen. So wollte Hellmich Kohle sparen. Hätte er die Strecke durch Umwege verlängert, hätte er nachts sogar noch einmal Kohle aufnehmen müssen. „Das wäre dann doch zu teuer geworden“, sagte er.
Als der Zug dann am frühen Morgen im ersten Sonnenlicht ankam, war von irgendwelchen Protestierern nichts zu sehen. „Wir hatten gedacht, der kommt nachmittags – wie jeder Zug aus Wildenranna“, sagte Schulze-Hartnack. „Und um sechs aufstehen, das ist bei mir sowieso nicht drin.“
Am Samstagnachmittag entspann sich vor dem Gasthaus eine heftige Diskussion, nachdem Genoveva die Geschichte den Gästen an den Tischen im Freien erzählt hatte. „Wir schlachten weiter“, sagte Anna Hellmich zu Genoveva F., die sich in das Geschehen eingemischt hatte. Die frühere stadtbekannte Alkoholikerin war auf die Postler schlecht zu sprechen, weil sie dort für ein paar Wochen Hausverbot bekommen hatte.
Vor der „Post“ stand Genoveva auch jetzt wieder ziemlich alleine da. Alle Gäste, die sich an den Tischen auf dem Marktplatz eingefunden hatten, bekannten sich als leidenschaftliche Fleischesser. Am Nachmittag kam auch Schulze-Hartnack dazu. Er bestellte ein Stück Mohrrübentorte. „Eins muss man ihm ja lassen“, sagte Hellmich zu Genoveva, „Angst vor dem Gespött der Menge hat er nicht.“
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