Die Bahn verlor bei der Aktion „Trafalgar“ den Überblick
Etwashausen (Eigener Bericht) Der Bahn ist am Wochenende eine Lokomotive abhanden gekommen. Nicht irgendeine, sondern die große Schnellzugdampflok 05 003. Der Regionalbevollmächtigte Gerhard Schlupp startete eine Spähaktion mit dem Codenamen „Trafalgar“, um auf die Spur des Triebfahrzeugs zu kommen. Bis jetzt weiß keiner, wo es geblieben ist. Aber erste Spuren wurden gesichert.
Bei der Lok handelt es sich um die größte Dampflok, die im Etwashausener Raum unterwegs ist. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt. Eigentlich sollte sie am Sonntagmorgen vor den Fernzug über Neustadt nach Basel gespannt werden. Aber als Lokführer Wilfried Hellmich den Lokschuppen aufschloss, sah er nur ein leeres Gleis und sonst nichts. Der Zug startete schließlich mit einer V 200 und 90 Minuten Verspätung.
Die Bahn wollte auf Anfrage der EN zunächst keine Auskunft über den Vorfall geben und begründete das mit „einem laufenden Verfahren“. Reporterlegende Fritz P. traf aber beim Stamm- tisch im Dorfkrug eine Vertrauensperson, die ihm die wichtigsten Einzelheiten unter der Bedingung absoluter Anonymität mitteilte. „Sie haben eine Ermittlungsgruppe namens ‚Trafalgarʼ gebildet“, sagte die Informantin. Als externer Berater sei der Bahnforscher Wilhelm Föttingmeyer gewonnen worden. Der hatte vor Jahren bereits das Geheimnis um den Schienenzeppe- lin mit dem goldenen Propeller gelüftet. (Die „Etwaigen Nachrichten“ berichteten.) „Föttingmeyer ließ sich alle Daten von den Lokführern und Heizern geben.“ Damit habe er feststellen wollen, ob irgendein Lokführer bestochen wurde, um die Maschine verschwinden zu lassen. Sie sei mehrere Millionen Taler wert.
Die Polizei sei auch eingeschaltet worden, aber nur zur Sicherung von Beweismitteln, erzählte die anonyme Quelle. „Heute abend bekommt ihr vielleicht Post.“ Mehr wollte sie vorerst nicht sagen. „Komm einfach, wenn die Zeitung fertig ist, wieder in den Dorfkrug.“
Während seiner Außenrecherche beobachtete Fritz P. Polizeiobermeister Siegfried Rudolph, wie er auf den Gleisen vor dem offenen Tor des leeren Lokschuppens nach Indizien für den unglaublichen Diebstahl suchte. Auch er war nicht zu weiteren Auskünften bereit.
Kurz vor Redaktionsschluss klingelte ein Bote an der Redaktionstür. „Hier ist ein Brief für Fritz P.“, sagte er. In dem unscheinbaren Umschlag war ein Foto von der 05 003, wie sie aus einem Tunnel herausfuhr. Das Fotopapier roch noch nach Fixierbad.
P. konnte auf den ersten Blick nicht erkennen, welcher Tunnel es war. Er griff zum Telefon und rief Rudolph an. „Das muss ich sofort haben“, sagte der, als er in der Redaktion eintraf. „Erst, wenn wir ein Klischee davon gemacht haben, damit es morgen in der Zeitung stehen kann“, entgegnete Verlagsleiter Wernbeck. „Es dauert nicht lange.“
Der Polizist musste warten. Auch er konnte den Ort zunächst nicht feststellen. „Aber wir haben da Fachleute. Die waren früher mal Pfadfinder und kennen hier in der Gegend jeden Tunnel.“ „Besonders das Schaf da links unten irritiert mich.“ Vielleicht ist es ein böses Omen“, meinte P., der Rudolph das Versprechen abzunehmen versuchte, als erster die neuen Informationen zu bekommen, die sich aus dem Foto ergeben könnten. „Ach“, seufzte Rudolph, „Sie ahnen ja gar nicht, wer da alles mit drin steckt. Die Bahn hat total den Überblick verloren.“
„Wir werden schon noch dahinterkommen“, gab sich die Reporterlegende zuversichtlich. „Wenn es erst einmal in der Zeitung steht, zieht sich die Schlinge um die Täter immer enger.“
Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war die Lok immer noch verschwunden. Die „Etwaigen Nachrichten“ werden weiter über die Aktion „Trafalgar“ berichten.
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