Verschwundene Lok ist wieder da – Aktion „Trafalgar“ beendet
Etwashausen, 15. März (Eigener Bericht) Die verschwundene Dampflok ist wieder da. Polizei und die Detektei „Dikola“ fanden sie am Ende eines Stumpfgleises in einem schwer zugänglichen Waldstück südlich von Neustadt. Die Aktion forderte einen Verletzten: Der Täter, ein pensionierter Lokführer, brach sich beim Verlassen der Lok ein Bein. Er wollte gegen die Vernachlässigung des Naturschutzes durch die Bahn protestieren, wie er sagte.
Damit hat die großanglegte Suchaktion unter dem Decknamen „Trafalgar“ um die vor vier Wochen verschwundene Lok 05 003 ein glimpfliches Ende genommen. Der Regionalbeauftragte der Bahn, Gerhard Schlupp, äußerte sich zufrieden. „Gut, dass wir externen Sachverstand hin- zugezogen haben“, sagte er. Er kündigte an, die Bahn werde das Stumpfgleis abbauen, damit
„kriminelle Lokentführer keine Verstecke mehr finden“. Bahnchef H.M. sagte dazu auf Anfrage der „Etwaigen Nachrichten“, so einfach sei das nicht: „Wir legen keine Gleise still. Das dürfen wir gar nicht.“ Außerdem sei noch nicht klar, wer dafür die Kosten trage. „Und besonders hohen Marktwert hat das Grundstück mitten im Wald wahrscheinlich auch nicht.“
Unverständnis äußerten beide darüber, dass der „Schwerverbrecher“, ein 68-jähriger früherer Lokführer namens Emil Ginster, nach Feststellung der Personalien wieder freigelassen wurde. Bahnpolizist Atze Eisenegger verwies aber auf den Gips an Ginsters Bein: „Fluchtgefahr besteht nicht.“
Ein anonymer Hinweis an Rangierer Ewald Brähler in der Rangierbude am Anstieg nach Wildenranna, hatte die Detektei zu dem Standort der schweren Maschine geführt. Als Polizei und Rotes Kreuz sich auf matschigen Waldwegen zu der Lok durchgekämpft hatten, fanden sie Ginster, der auf einem Baumstupf in der Nähe saß und leise wimmernd sein Bein umklammerte. Er wurde auf einer Trage zu Doktor Löther gebracht, der ihm den Gips anlegte. „Weitere körperliche Verletzungen hat er nicht“, gab er zu Protokoll.
Ginster hatte bis vor einigen Jahren selbst die Lok im Plandienst gefahren. Inzwischen ist er pensioniert und betätigt sich als Hobby-Schäfer. Bei ersten Vernehmungen gab er als Motiv für seine Tat an, er habe gegen mangelnden Naturschutz durch die Bahn protestieren wollen. Deshalb habe er auch kurz nach der Entführung ein Foto geschickt, auf dem neben der Lok ein verängstigtes Schaf am Bahngleis zu sehen war. Zum Tathergang sagte Ginster, er sei zunächst am Vorabend der eigentlichen Tat in den Lokschuppen gegangen und habe die Maschine angeheizt. Er habe sich extra einen Tag ausgesucht, an dem die Lok mit aufgefülltem Tender abgestellt wurde. Dann sei er auf Umwegen und im Schutz der Dunkelheit zu dem Tunnel gefahren, hinter dem das Stumpfgleis abzweige, und habe sie dort abgestellt. „Das war ganz schön anstrengend, und jetzt bin ich doch froh, das nichts passiert ist“, gestand er ein. Zu dem Beinbruch sei es gekommen, als er vom Führerstand springen wollte und unglücklich auf dem Schotter des Metallgleises landete.
Trotz der umfangreichen Aussagen der meisten Beteiligten bleibt noch einiges um die Lokentführung im Dunkeln. Der Rangierer Ewald Brähler, der die Ermittler angerufen hatte, konnte zunächst nicht viel zur Erhellung beitragen. „Der Mann, der bei mir vorbeikam, sah aus wie ein Wanderer.“ Der habe sich Lutz König genannt, sei ganz aufgeregt gewesen und habe gesagt: „Da hinter Neustadt steht eine riesige Lok im Wald.“ Auf den ersten Blick habe er einen seriösen Eindruck gemacht, sagte Brähler.
Die Polizei konnte aber bislang keinen Lutz König in der Gegend ermitteln. Hauptwachtmeister Uwe D. ließ durchblicken, dass der Rangierer möglicherweise noch nicht alles gesagt haben könnte, was er weiß. Eine Mitschuld könne man ihm aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachweisen. Schlupp erwägt seitdem, die Unterlagen Brählers mit allen Lieferanten und Kunden der Bahn abzugleichen, um herauszufinden, ob und wie der Rangierer in den Lok-Klau verstrickt ist. Die 05 konnte schließlich aus eigener Kraft nach Etwashausen zurückgeführt werden. Erkennbaren Schaden hatte sie nicht davongetragen. Zur Sicherheit fuhr aber, sozusagen als „Angstlok“, die bewährte 85 010 mit, falls auf der Rückfahrt doch noch etwas passieren sollte.
Noch offen ist die Spur, die sich durch das Auffinden einer Plastikkarte mit dem Fahrwerk der 05 aufgetan hat. Die Ermittlungen dauern an. Aber auch die „Etwaigen Nachrichten“ gehen ernstzunehmenden Hinweisen auf den Geheimbund nach, dessen Mitglieder sich insgeheim mit der Tat zu solidarisieren scheinen.
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