Nummer 78: Im Visier der Bahnspitzel

Ausgetrickst: Renovierungsmaßnahmen am falschen Bahnhof

Etwashausen, 28. März (Eigener Bericht) Reporterlegende Fritz P. ist im Visier der Bahnspitzel. Sie kamen jedoch nicht zu dem erhofften Erfolg. Sie wollten ausgerechnet Genoveva P. auf ihn ansetzen. Der Reporter und die ehemalige stadtbekannte Alkoholikerin tricksten die Verfolger aus. Am Pranger steht nun das Unternehmen. Es legte auf Anfrage Wert auf die Feststellung, nichts strafrechtlich Relevantes getan zu haben.

Reporterlegende bei der Arbeit: Nur mit Einsätzen an ungewöhnlichen Orten zu ungewöhnlicher Zeit konnten die jüngsten Missstände aufgedeckt werden.

Es begann im Zug von Neustadt nach Etwashausen. Genoveva wurde von einem Unbekannten angesprochen. Mit fadenscheinigen Argumenten lockte er sie in den Speisewagen und bot ihr ein Bier an. „Ich trinke nicht“, sagte sie, die Augenbrauen hebend.
Der Unbekannte, der sich als Sebastian Kuhrt von der Bahn vorstellte, sagte: „Ich hätte da einen Job für Sie.“ Genoveva war skeptisch. Trotzdem ließ sie sich bei einer lauwarmen Limonade den Deal erklären: Gegen eine kostenlose Jahreskarte sollte sie die Bahn-Leute über die jeweiligen Reportagenprojekte von Fritz P. informieren, und zwar rechtzeitig, bevor sie in der Zeitung erscheinen würden. „Ich habe mir Bedenkzeit ausgebeten.“ Am nächsten Tag traf sie sich mit Fritz P. und erzählte ihm alles. „Übrigens war im Speisewagen sowieso das Bier aus“, lachte sie. Fritz nahm die Sache etwas ernster. „Wir machen weiter“, beschloss er. „Mal sehen, auf welche Ideen sie noch kommen. “
Die nächste Begegnung fand am Bahnsteig von Wildenranna statt. Diesmal sollte Genoveva vom Bahnhofsvorsteher den Ort des nächsten Treffens mit Kuhrt erfahren. Was der Beamte nicht wusste; Fritz P. fotografierte heimlich, wie er Genoveva instruierte, als er den verspäteten Personenzug nach Etwashausen abfertigte.

Mit verdeckter Kamera festgehalten: Genoveva F. im Gespräch mit einem Bahnbeamten.

„Es soll morgen im Dorfkrug sein“, sagte Genoveva hinterher. Bei dem Gespräch am nächsten Tag äußerte Genoveva dann ihre Bedenken. Sie führe gar nicht so oft Bahn, dass eine Jahreskarte für sie besonders reizvoll wäre, sagte sie. Da zog Kuhrt sein nächstes As aus dem Ärmel: „Es wäre doch schade, wenn Ihr neuer Arbeitgeber erfahren würde, dass Sie früher nicht immer sehr zuverlässig waren“, meinte er eher beiläufig. Genoveva wurde rot. „Wie meinen Sie das?“, fragte sie. „Wollen Sie nicht doch ein Bier trinken?“, fragte der Gesprächspartner. Bisher trank nur er eines, Genoveva war bei Limonade geblieben. Sie hatte übrigens darauf bestanden, diesmal ihre Getränke selbst zu zahlen.

Im Trenchcoat verschwindet Kuhrt hinter dem Dorfkrug.

„Also gut“, sagte sie zu Kuhrt, so wie sie es mit Fritz abgesprochen hatte. „Ich kooperiere. Was wollen Sie wissen?“ Was bei den „Etwaigen Nachrichten“ als nächste Geschichte geplant sei, antwortete er. Die nächste Geschichte handele von den Arbeitsbedingungen am Bahnhof Etwashausen, erklärte sie. Der Beamte zog die Jahreskarte aus der Tasche und überreichte sie Genoveva fast feierlich.
Fritz P. konnte Kuhrt nach dem Gespräch gerade noch ablichten, wie er aus dem Dorfkrug Richtung Bahn-Verwaltungsgebäude ging. Als der Beamte außer Sichtweite war, ging Fritz zu Genoveva ins Gasthaus. Sie erzählte ihm alles, und als es dunkel war, traf sich der Reporter mit seinem Informanten. Sie hatten extra einen Treffpunkt vor und nicht in der Schrankenwärterhütte vereinbart, damit P. nicht hinterher Hausfriedensbruch vorgeworfen werden könnte. Über den Inhalt des Gesprächs vereinbarten sie Stillschweigen.
Zwei Tage später rückten die Maler in den Räumen der Bahnverwaltung im Etwashausener Bahnhof an. Auch die Heizkörper wurden von einer Fachfirma untersucht, und ein Schreiner sorgte dafür, dass es durch die Fenster im zweiten Stock nicht mehr zog. Die etwas ausgetretenen Treppenstufen wurden ausgebessert und ein Getränkeautomat aufgestellt. Zwei neue Schreibtischstühle ersetzten total durchgesessene Exemplare, und der Personalrat setzte ein Dankesschreiben an den Regionalbeauftragten Gerhard Schlupp auf.
Unterdessen traf sich Fritz P. mit dem Gewerkschafter Norbert Doll und einem Sachverständigen am Güterbahnhof. Das war nämlich das eigentliche Ziel der Recherchen des Reporters. „Hier geht es nicht nur um einen Kaffeeautomaten“ oder ein bisschen frische Farbe an den Wänden“, sagte Fahrdienstleiter Klaus Neuerburg, der auch dazu gekommen war. „Hier müsste bei der Beleuchtung etwas getan werden, dieses Halbdunkel im Winter ist einfach gefährlich“, sagte Doll. „Außerdem bestehen wir darauf, dass die E-Lok, die jetzt hier probehalber eingesetzt wird, dauerhaft bleibt. Die stinkt nicht so nach Diesel.“

Recherche am Güterbahnhof: „Wir wollen die rote E-Lok behalten“, sagte ein Eisenbahner zu Fritz P. Zu der Aushorch-Affäre mit Genoveva meinte er nur: „Wir trauen niemandem mehr.“

Und er fügte hinzu: „Von uns kriegt Schlupp bestimmt kein Dankschreiben. Wir haben das jetzt satt mit der ständigen Bespitzelung.“ Wenn das so weitergehe, werde die Gewerkschaft den Rücktritt Schlupps fordern.
Die Jahresnetzkarte spendete Genoveva den Grünen. Die kritisierten sowieso immer die Bahn, sagte sie, dann könnten sie jetzt wenigstens auch überall herumfahren und nach Missständen suchen.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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