Sperrstundenstreit gefährdet Bahnübergangsfest
Der Klassiker in Aktion. Noch ist er nicht für das bevorstehende Jubelfest geschmückt.
Etwashausen, 24. Mai (Eigener Bericht) Die Vorbereitungen zum traditionellen Bahnübergangsfest werden von einem handfesten Streit über die Sperrstunde überschattet. Mehrere gastronomische Betriebe haben eine Eingabe an die Stadtverwaltung gemacht, in der sie mindestens vorübergehend den Wegfall der nächtlichen Kneipenschließung fordern. Die Beamten haben bisher keine Kompromissbereitschaft erkennen lassen.
Das Fest zur Erinnerung an die Einrichtung des ersten Bahnübergangs in Etwashausen soll in drei Wochen steigen. Bis jetzt sieht es aber so aus, als falle es Protesten zum Opfer.
Einiges an Vorbereitungen ist schon über die Bühne gegangen. So sind aus dem Neustädter Museum bereits eine große Museumslokomotive der Baureihe 03 und ein Lokomobile eingetroffen. Die Lokomotive soll einen Personenzug ziehen, der Festbesucher zwischen den drei Etwashausener Bahnübergängen transportiert. Weil diese nahezu dauernd geschlossen sein werden, warnt die Stadtverwaltung schon jetzt, dass geregelter Autoverkehr während der Festtage kaum möglich sein wird.
Am Marktplatz sind die ersten Wurst- und Informationsstände aufgebaut, und die Farben-AG rüstet sich für den Ansturm von Besuchern, die die Produktion naturnaher Schrankenanstriche hautnah erleben wollen.
Die große Museumslokomotive bei der nächtlichen Ankunft im Güterbahnhof.
Das Fest soll an den 1. Februar 1865 erinnern. An diesem Tag wurde der schlichte Feldwegübergang nördlich der Altstadt zum ersten Mal mit einer Barriere gesichert, nachdem ein Fuhrwerk wegen Glatteis nicht rechtzeitig vor den Gleisen zum Stehen gekommen war. Ein Pferd war ausgerutscht, und es war nur der Geistesgegenwart eines Lokführers zu verdanken gewesen, dass niemand verletzt oder gar getötet wurde. Ein Jahr später wurde bei einem Gedenkgottesdienst in der damals schlecht geheizten Kirche entschieden, das künftige Gedenken auf Mitte Juni zu verlegen, damit nicht im Nachhinein bei den Feiern noch Personenschäden zu beklagen seien. Dabei ist es bis jetzt geblieben, auch wenn die Kirche inzwischen eine Zentralheizung hat und der Gottesdienst sowieso nicht mehr das wichtigste Ereignis der Festivitäten ist.
In diesem Jahr soll zum Fest erstmals ein Laienspiel aufgeführt werden, in dem das historische Ereignis nachgestellt wird. Der Streit um die Sperrstunde begann, als Bauer Hartmut Wolf sich mit dem Kneipenbesitzer Pit Krüger in seinem Café darüber unterhielt, ob die gefährliche Szene authentisch in der Abenddämmerung oder am helllichten Tag gespielt werden solle. Wolf stellt die Pferde zur Verfügung und ist deshalb eine Schlüsselfigur der Bahnübergangsfestspiele.
„Wenn die Aufführung erst abends um zehn zu Ende ist, will ich mindestens bis zwei Uhr in der Kneipe den Ausklang feiern“, verlangte der Bauer. „Kein Problem“, meinte Pit, „dann beantragen wir einfach eine Ausnahmegenehmigung von der Bestimmung, dass um eins die Lokale schließen müssen, für die Festtage.“
Genau das wurde zum Problem. Als Pit und Egon Pielke vom Dorfkrug beim Ordnungsamt vorstellig wurden, bekamen sie einen abschlägigen Bescheid. Die Sitten seien eh schon verroht, und mit der Aufhebung der Sperrstunde würde alles noch viel schlimmer. Und wenn man den Wirten den kleinen Finger gebe, wollten sie sicher die ganze Hand und das käme nun schon überhaupt nicht infrage. Und wer denn den ganzen Müll wegmache, wer die Beschwerden ehrbarer Bürger über Störungen der Nachtruhe entgegennehme, dazu hätten sie wohl auch keine Vorschläge?
Pits Café wird bis auf weiteres aus Protest die ganze Nacht erleuchtet. Immer wieder wundern sich Touristen, wieso es in der Goethestraße so hell ist und man doch nicht in das Café hineindarf.
Pit vermutete, dass es der Wirt vom Gasthof zur Post seine Finger mit im Spiel hatte, denn der hatte schon zu Anfang die Frage verneint, ob man nicht gemeinsam zum Ordnungsamt gehen wolle. Er habe kein Interesse an einer Aufhebung der Sperrstunde, weil seine Gäste sich meist bereits gegen zehn zur Nachtruhe begäben, hatte er argumentiert. „Was machen wir jetzt?“, fragte Egon seinen Kollegen. Pit sagte: „Wir organisieren jetzt den Protest. Ich lasse ab sofort meine Gaststuben die ganze Nacht hell erleuchtet und hänge im Schaufenster Schilder auf, warum das so ist.“ Egon ergänzte: “Und ich informiere die Zeitung. Die schreiben sicher auch was über die Ausfälle an Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer, wenn das Fest flachfällt und keine Touristen kommen. Dann werden wir ja sehen, wie es ausgeht.“
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