Bahn verspricht aber: Dampfloks fahren weiter
Etwashausen, 30. August (Eigener Bericht) Mit einem großen technologischen Schritt vorwärts ist Etwashausen seiner epochenübergreifenden Ausnahmestellung einmal mehr gerecht geworden: Der Fahrdraht für die elektrischen Lokomotiven reicht seit dem Wochenende bis nach Wildenranna. Nun können auch schwerste Züge die Herausforderung des Anstiegs von Etwashausen meistern, und einem nachhaltigen konjunkturellen Aufschwung steht nichts mehr im Weg.
Ein moderner Eilzug eröffnete am Samstag das elektrische Zeitalter in Wildenranna: Der E 3249 aus Neustadt fuhr zum ersten Mal bespannt mit einer Elektrolok durch. Bisher musste stets in Etwashausen von Elektrotraktion auf Dampf- oder Dieselloks umgestellt werden, was den Aufenthalt unnötig verlängerte. Zunächst allerdings wird noch nach dem alten Fahrplan weitergefahren, da sich die Bundesbahn nicht durchringen konnte, die geänderten Zeiten schon vor dem amtlichen Fahrplanwechsel zu übernehmen. „Da können wir in Etwashausen immer eine längere Pause einlegen“, kommentierte Lokführer Wieland Hellmich die Situation. Das tat der Freude jedoch keinen Abbruch. Zwei Stadtmusikanten hatten sich an der Verladerampe des Bahnhofs Wildenranna eingefunden, um auch ohne offizielle Einweihung dem Eintreffen der ersten Elektro- lok gezogenen Zuges an Gleis 1 eine festliche Note zu verleihen. Ihr etwas eigenwillig abgewandelter Jazz-Song „Take the E Train“ ging fast im Geräusch der E 41 208 unter, aber als sie dann zum Stehen gekommen war und Hellmich nach einem durchdringenden Lokpfiff den Strom abge- schaltet hatte, kam die Musik doch zur Geltung.
Der Regionalbeauftragte Gerhard Schlupp lobte im Interview mit den „Etwaigen Nachrichten“ die epochenübergreifende Zusammenarbeit beim Bau der anspruchsvollen Strecke. „Ein Turmtriebwagen samt Mitarbeitern hat uns entscheidend bei der Errichtung der Masten und beim Spannen der Leitung über dem Anstieg geholfen“, erklärte er. Einzelne Teile seien sogar aus Dortmund angeliefert worden.
So seien mit einer innovativen Schraubtechnik einzelne Brückenmasten fixiert worden. Der Traditionsbeauftragte der Bahn, Herwig Stier, und Kulturdezernent Friedbert Dünger hatten gemeinsam darauf gedrungen, dass das historische Brückenensemble mit insgesamt fünf verschiedenen Stahl- und Blechkonstruktionen nicht zerstört werde. Daher war eine neue Schraubtechnik angewendet worden. „Ich sage nur: von unten“, bemerkte Schlupp. Mehr wollte er mit Rücksicht auf international angemeldete Patente nicht sagen.
Im Rathaus entwickelte sich ungeachtet des allgemeinen Jubels ein politischer Streit um die Zukunft der Dampfloks in der Bundesbahndirektion Etwashausen. Gegen die Stimme des Feinstaubexperten Wilhelm Meiserich, beschloss der Stadtrat eine von Stadtrat Wilhelm Wenzel eingebrachte Resolution, der Dampfbetrieb müsse aufrechterhalten werden, damit einerseits die heimi- sche Kohle weiter verwendet werden könne, zweitens die Arbeitsplätze im Betriebswerk gesichert würden und drittens der Traditionsgedanke praktische Beispiele behalte. Wenzel betreibt nahe dem Bahnübergang eine Wäscherei.
Schlupp beruhigte die Abgeordneten mit dem Hinweis, bislang sei nicht geplant, die Dampfloks abzuziehen. Schließlich seien sie im Gegensatz zu den elektrischen Maschi- nen durchweg digitalisiert. Zum Beleg führte er an, dem Nahverkehrszug von Etwashau- sen, der dem Eilzug folgte, sei extra eine schwere bayerische Dampflok vorgespannt worden. Als diese auf Gleis 2 in Wildenranna einfuhr, spielten die Musikanten „Auf der schwäbʼschen Eisebahne“. „Naja, schwäbisch ist die ja eigentlich nicht, aber immerhin kommen die Lok und die Musik beide aus Süddeutschland“, murmelte Schlupp.
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