Nummer 94: Knutschkugel an der Wand

Unbekannte erlauben sich einen üblen Scherz mit Hedwig

Hedwig ratlos: Unbekannte machten sich einen Spaß mit ihrem neuen Auto.

Etwashausen, 2. Dezember (Eigener Bericht) Einen Scherz haben sich Unbekannte am Bahnhof von Wildenranna erlaubt. Sie stellten heimlich Hedwig Munkes neue Isetta mit der Front vor die Wand des Gebäudes. So war ihr der Zugang zu ihrem Wagen versperrt. Glücklicherweise kamen nette Helfer und hoben ihn wieder in die richtige Position.
Hedwig war sehr stolz auf ihr neues kleines Auto, auch wenn ihre Nachbarn es „Schlaglochsucher“ tauften. „Es passt in jede Parklücke, es verbraucht nicht viel Benzin, und für die Stadt ist es auch schnell genug“, erwiderte sie.
Mit ihrer Freundin Genoveva F. unternahm sie auch schon einige Spritztouren unternommen, was besonders bei Regen ein echter Komfortzuwachs war. Bisher waren sie immer mit Genovevas altem Cabrio unterwegs gewesen. Dessen Dach litt aber seit einiger Zeit an Undichtigkeiten.Am Montag musste Hedwig nach Neustadt, und weil die Bahn wegen Gleisbauarbeiten an der Forsthauskurve wieder einmal einen Teil des Fahrplans zusammengestrichen hatte, stieg sie in ihr Auto und fuhr bis Wildenranna, wo sie deutlich mehr Zugauswahl hatte als in Etwashausen.
Auch einen Parkplatz fand sie direkt am Bahnhofsgebäude. Sie musste nur aussteigen und kurz um die Hausecke gehen und schon konnte sie in den bereitstehenden Personenzug nach Neustadt steigen.
Der Zug ratterte los, dank günstiger Windverhältnisse kam auch nicht so viel Qualm ins Abteil, und ihre Geschäfte in Neustadt liefen so glatt, dass sie zufrieden wieder nach Hause fuhr. Tatsächlich hatte auch der Gegenzug nur zehn Minuten Verspätung. „Man ist ja heute schon dankbar, wenn es unter einer halben Stunde ist“, sagte sie zu ihrer Abteilgenossin.
„Früher war eben alles besser“, pflichtete diese ihr bei. „Neulich bin ich doch mit so einer neumodischen Elektrolok gefahren. Und da ist der Strom ausgefallen. Wir haben zwei Stunden auf freier Strecke warten müssen, bis sie ihre Sicherung wieder rein- gedreht hatten.“
Als der Zug wieder angekommen war, ging Hedwig zu ihrem Auto – und blieb mit offenem Mund davor stehen. Es stand auf einmal mit der Tür zur Hauswand.

Zu dritt schone sie das Auto von der Wand weg.

Und es hatte nur eine Tür, nämlich vorne! „Was soll denn das? Wer war das? Und wie soll ich denn da jetzt reinkommen?“, fragte sie laut, aber niemand hörte ihr zu. Vergeblich versuchte sie, das Auto wegzuschieben. Es war zu schwer. Dann entdeckte Hedwig einen Lagerarbeiter, der an der Güterrampe des Bahnhofs damit beschäftigt war, einen Lastwagen zu entladen. „Schauen Sie sich das einmal an“, sagte sie zu ihm. Er stieg von der Ladefläche und kam mit ihr zur Isetta.
„Ja, da ist guter Rat teuer“, meinte er, als er die Bescherung sah, und kratzte sich am Kopf. „Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt und Ihr Auto umgedreht. Wenn wir ein Fenster einschlagen, können wir die Hand- bremse lösen und es wegrollen.“
Hedwig protestierte: „Nein, das lasse ich nicht zu. Mein schönes Auto!“ Sie fing an zu schluchzen. „Das ist gar nicht lustig“, herrschte sie den Arbeiter an, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
Sie wollte schon zum nächsten Telefon lau- fen und den Abschleppdienst anrufen, da kamen wie aus heiterem Himmel zwei halbwüchsige Jungs gelaufen. „Können wir Ihnen helfen?“, fragten sie Hedwig. Die winkte ab. „Mir kann nur noch ein Abschleppdienst helfen. Irgendwelche Witzbolde haben mein Auto an die Wand gestellt.“
Da meldete sich der Arbeiter noch einmal. „Warten Sie!“, rief er, „zu dritt schaffen wir das! Fasst mal mit an“, wandte er sich an die Jungs. Der eine hatte vorher gemurmelt: „Das schafft man auch zu zweit“, aber Hedwig hatte es nicht gehört. Laut sagte er: „Na klar helfen wir da.“
Und so hoben sie alle drei das Auto an und schoben es zur Straßenmitte. Hedwig nestelte in ihrer Tasche herum und fand ein paar Talerstücke. Sie gab jedem der drei Helfer eins, dankte ihnen überschwänglich, öffnete die Tür ihrer Isetta, stieg ein und fuhr davon.
Der Arbeiter und die beiden jungen Männer schauten der blauen Knutschkugel nach, als sie die Straße nach Etwashausen hinunterfuhr. Der Arbeiter lachte und drohte den Jungs mit dem Finger: „Das macht ihr aber nicht noch mal! Ich habe euch beobachtet, wie ihr das Auto umgedreht habt.“ Die Jungs wurden rot, aber am Ende siegte doch die Frechheit. Einer streckte die Hand mit dem Taler in die Luft und sagte: „Wieso, es hat sich doch gelohnt!“

Hedwig ist wieder guter Laune, als sie nach Hause fährt.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

Kommentieren Sie diesen Artikel!