Nummer 18: Das Bier bleibt sauber

Übernahme der Traditionskneipe durch italienische Kette abgewendet

Etwashausen (Eig.Ber.) Der Dorfkrug bleibt in heimischen Händen. Mit Hilfe der Stadtverwaltung und der Sparkasse konnte die Übernahme durch eine dubiose italienische Restaurantkette in letzter Minute abgewendet werden. Nach einem siebenstündigen Verhandlungsmarathon mit Insolvenzverwalter und Bürgermeister Meyer stieg Sparkassendirektor Egon Pielke selbst mit einem Betrag ein, dessen Höhe er nicht nennen wollte.

Dunkle Autos vor dem Dorfkrug. Lange war die Zukunft der Traditionskneipe ungewiss. Rechts im Bild vor der Scheue Genoveva F.

Umsätze und Gewinne im Dorfkrug waren nach der Eröffnung von Pits Café in der Innenstadt eingebrochen, obwohl – oder vielleicht weil? – dort nicht geraucht werden darf. Zwar hielt die stadtbekannte Alkoholikerin Genoveva F. dem „Krug“ die Treue, aber selbst ihr Konsum reichte nicht, um die Kredite an Sparkasse und Brauerei vertragsgemäß zu tilgen.
Nun will Pielke das Problem zusammen mit Wirt Bernd Knobloch lösen, indem bundesweit für Seminare und Tagungen in Etwashausen geworben werden soll, wobei der Dorfkrug bei schönem Wetter als Tagungsort mit einbezogen werden soll. Schließlich hat er eine sehr seltene, architektonisch bemerkenswerte große Laube, in der man auch bei schlechtem Wetter draußen sitzen kann. Pielke sagte zu, den SparkassenStammtisch alle zwei Wochen ebenfalls im Dorfkrug abzuhalten. Der Betriebsrat der Farben AG erklärte sich ebenfalls bereit, im Dorfkrug zu tagen. Auch der Modellbahnclub will seine Anlage jeweils am letzten Freitag im Monat im Hinterzimmer aufbauen.

Der „Krug“ bei Nacht. Keine Gäste, und der Wanderer will auch nur schnell ein Bier trinken, bevor er zum Bahnhof geht und den Nachtzug in die Stadt nimmt.

Bälle und andere Veranstaltungen mit Programm sollen abends für Abwechslung und Umsatz sorgen. Außerdem will Knobloch zielgruppengerechte Speisen anbieten, etwa für die Mitarbeiter der Farben AG ein preisgünstiges Mittagsmenü. Mit einem auf mehrere Wochen angelegten fettarmen Speisensortiment, begleitet von alkoholfreiem Bier, will Knobloch den zahlreichen übergewichtigen Etwashausenern dabei helfen, wieder auf Linie zu kommen. „Ich mache selber auch mit“, sagte er mit einem Schmunzeln der Erleichterung, als er die Lösungskonzepte präsentierte. Mit einer Werbeaktion im Bahnhof und in den Nahverkehrszügen sollen auch die Gäste Etwashausens, die sich normalerweise nur in der Innenstadt aufhalten, hin und wieder in den Dorfkrug finden. In den letzten Tagen hatte es unter den verbliebenen Stammgästen des Dorfkrugs panikartige Szenen gegeben, nachdem mehrere bis dahin unbekannte Geschäftsleute in dunklen Autos älterer Bauart vorgefahren waren. Sie setzten sich um den großen runden Tisch im Gastraum, stellten sich Knobloch als Interessenten an seiner Kneipe vor, die auch die Schulden mit übernehmen wollten, und boten ihm einen Geschäftsführerposten an. Nach Knoblochs Angaben deuteten sie aber an, dass er im Hinterzimmer auch einen Raucherraum einrichten müsse und den neuen Eigentümern stets kostenlose Kost und Logis anbieten müsse, ebenso wie natürlich ihren Verwandten. Vor allem aber sollte er nur noch lieblichen Chianti und Grappa anbieten. Das war besonders auf den Widerstand von Genoveva F. gestoßen, deren Vorliebe für Doppelkorn sich zurzeit nur noch im Dorfkrug befriedigen lässt.

Pits Café. Am Montag, dem Ruhetag, war es leer. Aber sonst gräbt es dem Dorfkrug das Wasser ab.

Der Modellversuch läuft vorerst ein Jahr, wie Pielke sagte. Danach soll neu entschieden werden. Er sicherte zu, dass keine der drei im Schichtbetrieb arbeitenden Bedienungen entlassen werde. Eine Bewerbung F.s als Servierkraft hinter der Theke lehnte er allerdings ab.

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Etwashausen

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