Bahn und Post testen ungewöhnlichen Service in Etwashausen
– Etwashausen,01. März (Eigener Bericht) Mit neuen Projekten reagieren Bundespost und Bundesbahn auf gestiegene Mobilitätsbedürfnisse der Menschen in Etwashausen und Umgebung. Der nächtliche Postzug befördert nun auch Personen. Posthauptschaffner Bernd Klein berichtete den „Etwaigen Nachrichten“ exklusiv über erste Ergebnisse.
„Kino ist ja schön und gut, aber wie kommen wir wieder nach Hause?“ Mit dieser Frage zahlreicher Bürger aus Wildenranna und Neustadt sah sich vor einigen Monaten der Etwashausener Stadtrat in einer Petition konfrontiert. In den Nachbarorten gibt es nämlich kaum kulturelle Einrichtungen und schon gar kein Kino. Deshalb müssen die dortigen Einwohner, wenn sie die neuesten lichtbildnerischen Produktionen etwa aus Hollywood sehen wollen, in Etwashausen in den historischen Titania-Palast an der Hauptstraße kommen. Für die Stadt ist das eine wichtige touristische Einnahmequelle, da viele Gäste vorher oder nach dem Kinobesuch auch noch die Gastronomie aufsuchen, um etwas zu essen oder einen Absacker zu nehmen.
Die Petenten beklagten, dass es nach dem Kinobesuch unmöglich sei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln am selben Abend in einen der Nachbarorte zu gelangen. Wenn man nach einem Kurzfilm den letzten Zug um 21:00 Uhr noch erreichen könne, sei das zwar schön und gut, aber weder nach einem Film mit normaler Spielfilmlänge noch mit einem anschließenden Besuch im Gasthof zur Post oder in Pits Café fahre irgendein Bus nach Wildenranna oder Neustadt, von weiter entfernten Orten ganz zu schweigen. Daher werde derzeit in der Regel das Auto als Verkehrsmittel für solche kulturellen Highlights genutzt. Indirekte Folge davon seien steigende Zahlen der Unfälle mit alkoholisierten Autofahrern. Die Petenten forderten daher, entweder eine Bus- oder eine Bahnverbindung am späten Abend oder in der Nacht einzurichten, die diesem Missstand abhilft.
Aus naheliegenden Gründen war einer der prominentesten Unterzeichner der Anwalt Michael Fürst, bekannt durch seine Verfahren gegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch Boulevardmedien. Er hatte vor 13 Jahren das Lichtspieltheater erworben und fürchtet, dass mit steigender Fernsehdichte der Kinobesuch nachlassen könnte. „Ich habe das meinem Briefträger erzählt, der ein eifriger Kinogänger ist, und der hat mich auf den Postzug hingewiesen, der nachts die Post ins Oberverteilzentrum nach Neustadt bringt“, sagte Fürst den „EN“. Daraufhin habe er den zuständigen Oberpostdirektor (OPD) um Lösungsvorschläge gebeten. Zum Beispiel, „die paar Nachtschwärmer“ im Postzug mitfahren zu lassen. „Bei dem OPD hatte ich noch etwas gut“, meinte Fürst, ohne ins Detail zu gehen. Er hatte ihm wohl vor vielen Jahren mal seinen Jaguar zu zwischenmenschlichen Marketingzwecken geliehen. Der inzwischen verheiratete Beamte versprach, sich zu kümmern.
Inzwischen drängte auch Bürgermeister Wilhelm Ulrich auf eine schnelle Lösung. Er hatte die Petition erhalten und sich zu eigen gemacht. In sieben Monaten war Bürgermeisterwahl. Wie die “EN“ aus Bahnkreisen erfuhren, traf sich der OPD mit Bahnchef G., der ebenfalls versprach, sich zu kümmern – „aber nur, wenn es nichts kostet“. G. stieß zunächst auf ein fast unüberwindliches Problem: Der nächtliche Postzug zum nächsten Postknoten war ein Unikum: Gezogen von der altehrwürdigen E 63 des Bw Etwashausen, bestand er nur aus einem einzigen Waggon. Es war ein langer Vierachser der ehemaligen Reichspost, der den Krieg auf dem hinteren Teil des Ladegleises überstanden hatte. „Da können wir keine Fahrgäste reinlassen“, zitierten die Bahnkreise aus dem Gespräch zwischen G. und dem Oberpostdirektor.
Mit dem alten Vierachser würde es also nicht gehen. „Vielleicht brauchen wir doch einen Personenwagen von euch“, sagte der OPD. G. und der Oberpostdirektor ließen ihre Beziehungen spielen. Und siehe da: Im Bestand der Post fand sich ein weiterer Exot, der Langenschwalbacher Postwagen Nummer 101990. Der kurze Vierachser hatte einige Jahre Dienst im Westerwald getan, war aber vor kurzem wegen stetig steigenden Postaufkommens durch einen längeren Wagen ersetzt worden. Er war aber noch nicht offiziell stillgelegt worden. „Den können wir doch in Etwashausen einsetzen“, meinte der Oberpostdirektor. Allerdings war er zu kurz für das auch in dieser Gegend gestiegene Postaufkommen.
Aber da half die Bundesbahn. G. bot einen hochmodernen vierachsigen Umbauwagen mit Ladeabteil an. „Wir verkaufen das erstmal als Testbetrieb. Wir setzen den zusammen mit dem Langenschwalbacher ein. „Dann kann das bereits vorsortierte Gepäck in den kurzen Waggon und das wenige, was noch übrig bleibt, kann in dem neuen Wagen sortiert werden.“ Das beste hatte sich G. zum Schluss aufgehoben. G. hatte aber zusammen mit Bürgermeister Ulrich alles durchgerechnet und festgestellt, dass die Geschichte zwar etwas kosten werde, aber dank der zahlenden Gäste und des hohen Werbewerts des Angebotes auch etwas einbringen würde. Also besteht sogar Aussicht auf dauerhafte Nachtzugverbindungen aus Etwashausen. Abfahrt 23:48 Uhr außer Sonntags. Die ersten Zählungen stellten die Bundesbahn ebenso zufrieden wie Ulrich, Fürst und die Gastronomen in Kinonähe. Und die Gäste lobten die neue Verbindung.