Nummer 190: Noble Weine und ein Ami-Tanklaster
- Etwashausen, 20. Januar (Eigener Bericht) Wer in Etwashausen oder in Wildenranna demnächst Wein trinken will, sollte auf Qualität achten. Die „Etwaigen Nachrichten“ kamen einer merkwürdigen Transaktion auf die Spur: Am Ladegleis von Wildenranna wird des Nachts Wein umgeladen. In Tankwagen! Das Woher und Wohin harrt noch der Aufklärung.
Unterwegs war Fritz P. mit seinem Fotografen Peter Kellner eigentlich, um eine Geschichte über das neue Wein-Angebot von Fred‘s Diner im Caboose am Bahnsteig in Wildenranna zu schreiben. Nachdem Inhaber Aymer Comyn zur Einweihung das gastronomische Angebot explizit nordamerikanisch, zum Beispiel mit Poutine und Bourbon Whiskey gestaltet hatte (die EN berichteten), will er es nun um weitere internationale Spezialitäten erweitern. Den Anfang machen hochwertige Weine aus dem Orient-Express, der seit einiger Zeit regelmäßig in Wildenranna hält. Sie wurden am Freitag direkt aus dem CIWL-Weinwagen und etlichen Fässern ausgeladen, die der Express extra mitbrachte.
Auf der Rückfahrt kam das Team am unteren Ladegleis von Wildenranna vorbei. Dafür, dass die Nacht bereits hereingebrochen war, herrschte dort noch reichlich Betrieb. Als die beiden näher kamen, konnten sie beobachten, wie eine Flüssigkeit aus einem ausländischen Wagen in einen Tanklaster der US-Armee umgefüllt wurde. Bei näherem Hinsehen wurde deutlich, dass es sich bei dem Waggon um einen geschlossenen Weinwagen handelte, bei dem die Fässer, anders als etwa bei dem des Orient-Express, von Holzwänden und einem Dach geschützt werden.
Da die ganze Aktion den Eindruck großer Heimlichtuerei machte, verzichteten Fritz P. und sein Fotograf zunächst darauf, sich bemerkbar zu machen, auch wenn das journalistisch etwas fragwürdig ist. Sie beschlossen aber, sich am nächsten Tag kundig zu machen.
Nun sind Fahrzeuge der amerikanischen Streitkräfte in Etwashausen nichts Besonderes, da es in der einstigen amerikanischen Besatzungszone liegt. „Aber ein Tanklaster, in den nachts in Wildenranna etwas umgefüllt wird, ist doch schon ungewöhnlich“, sagte Güterbahnhofschef Jürgen Vogel, als die „Etwaigen Nachrichten“ am folgenden Morgen nachfragten. „Trotzdem kann ich nur sagen, dass uns ein Güterwagen aus Italien für gestern Abend zur Entladung in Wildenranna Tiefbahnhof angekündigt wurde.“ Daran sei, abgesehen von der Tageszeit, nichts Verdächtiges. Auch hätten die italienischen Frachtführer versichert, dass es sich nicht um Gefahrgut handele, und deshalb hätten die Beamten auch nicht weiter nachgefragt und die Genehmigung erteilt. „Der Wagen wurde nach der Ankunft des Güterzuges von diesem getrennt und ins Ladegleis rangiert. Mehr kann ich nicht sagen.“
Die US-Behörden erreichte Fritz nur nach einer Telefonodyssee. Alle Presseleute, mit denen er telefonierte, hatten aber keine Ahnung, was da am Ladegleis vorgefallen sein konnte. Zumindest gaben sie das vor. Die Polizei in Etwashausen zuckte ebenfalls mit den Schultern. „Es ist ja nichts Kriminelles vorgefallen. Umladen von Flüssigkeiten, die nicht als Gefahrgut gelten, aus einem ordnungsgemäß abgestellten Güterwagen in einen Tanklaster, ist weder strafbar noch sonst irgendwie meldepflichtig“, sagte N.N. Anrufe in Italien blieben zunächst unbeantwortet.
So bleibt es zunächst bei einem merkwürdigen Ereignis mit dunklen Begleitumständen. Vielleicht hat auch der gelbe Lastwagen, der ebenfalls am Ladegleis stand, etwas mit der Sache zu tun. Die Redaktion wird sich bemühen, den Fall vollständig aufzuklären.