Mysteriöser Vorfall um Kuchengabeln
– Etwashausen, 05. April (Eigener Bericht) Carola kommt nach Etwashausen. Im Vorfeld hamsterten einige Bürger schon Kuchengabeln. Das erfuhren die „Etwaigen Nachrichten“ aus Medizinkreisen. Im Zusammenhang damit will sich ein schottisch-stämmiger US-Amerikaner hier ansiedeln.
Ans Licht kam alles dank Anni Scherer, der Besitzerin des Gemischtwarenladens in der Hauptstraße. Eine Neubürgerin aus der Siedlung, die namentlich nicht genannt werden wollte, hatte ihr sämtliche 36 Kuchengabeln aus Regal und Lager abgekauft und weitere 144 Stück bestellt. Auf die neugierige Frage der Ladeninhaberin, wozu die Kundin denn plötzlich so viele Kuchengabeln brauche, hatte diese nur kryptisch geantwortet: „Für Carola“, und war ohne weitere Erklärung hinausgegangen.
Anni bestellte daraufhin nicht nur die 144 Gabeln aus dem Auftrag, sondern sicherheitshalber noch einmal dieselbe Anzahl, falls andere Bürgerinnen und Bürger aus der Siedlung auf dieselbe Idee kommen sollten. Und sie verdoppelte den Preis.
Tags darauf kam Inge Seidel in den Laden, die Sprechstundenhilfe von Dr. Löther. Sie berichtete, dass ein Freund ihres Chefs aus Amerika angekommen sei. „Der hat sogar sein Auto mitgebracht. Ein Super-Cabrio!“ Man merkte geradezu, wie sie sich vorstellte, im offenen Wagen den Sunset Boulevard rauf und runter zu fahren. „Und die Farbe erst, ein leuchtendes metallisches Türkis!“
Inge war hell begeistert. Anni, die einen Opel Caravan fuhr, lächelte gequält. Dann erzählte Inge, dass der Ami ganz aufgeregt von einer Carola gesprochen habe, und dass es die bald auch in Etwashausen gebe. „Carola? Kenne ich die?“, fragte Anni, aufmerksam geworden. „Weiß ich nicht so genau. Ich habe nicht alles verstanden. Es war ja im Nebenzimmer. Das hörte sich aber gefährlich an. Wie eine Epidemie.“ Anni fragte erfolglos nach, ob es etwas mit Kuchengabeln zu tun habe, und erwähnte die merkwürdige Aktion der Nachbarin. „Verstehe ich nicht“, sagte Inge.
Nun stieß Genoveva zu den beiden. Auch sie wusste nicht, wer oder was Carola sein könnte. Nach dem Austausch der neuesten Nachrichten fragte Anni Genoveva, ob sie Kuchengabeln brauche. „Nein“, lachte Genoveva, „das bisschen, was ich esse, kann ich auch trinken. Ich brauche aber Klopapier.“ Davon hatte Anni reichlich.
Als sie in der Redaktion Fritz P. davon erzählte, interessierte der sich zunächst mehr für das Auto. Denn der Mustang war in Etwashausen schon vor einigen Tagen aufgefallen. „Ich unterhalte mich mal mit dem Fahrer“, beschloss die Reporterlegende. „Autostories steigern die Auflage der „Etwaigen Nachrichten“ immer.“
Er verabredete sich am Mittwochnachmittag, als die Praxis geschlossen hatte, in Löthers Wartezimmer mit dem Mustangfahrer. Der stellte sich als Aymer Comyn aus Wisconsin vor und erzählte, dass seine Vorfahren die Tradition ruhmreicher Konditoren aus den östlichen schottischen Highlands über den Großen Teich gebracht hätten. „Er versteht viel von Kochen und Backen“, sagte Fritz. „Und Carola ist eine Torte.“ Jetzt ging den Frauen ein Licht auf, und sie verstanden das mit den Kuchengabeln.
Comyn erklärte, er wolle nach Etwashausen ziehen, unter anderem, weil er die Familie des Arztes zu seinen engeren Bekannten zähle. Löther, der zum Interview dazugekommen war, ergänzte: „Ich habe in den Staaten studiert.“ – „Und im Gasthaus zur Post suchen sie einen Konditor. Da habe ich mich beworben und zum Probebacken eine Carola gezaubert. Sie wollen mich nehmen“, sagte Comyn.
Aber es waren doch noch Fragen offen geblieben: „Woher wusste die Nachbarin…? Und warum hortet sie Kuchengabeln?“, grübelte Genoveva. „Das kriege ich auch noch raus“, versprach Fritz.