Nummer 95: Debakel mit neuen Elektroloks

Alte Maschinen und Abteilwagen müssen aushelfen

Fahren alte Loks zuverlässiger? Das Debakel mit den Neubauten ist Thema jedes Gesprächs am Streckenrand.

Etwashausen, 2. Januar (Eigener Bericht) Bahnkunden sind am Wochenende auf der Strecke nach Wildenranna auf eine harte Geduldsprobe gestellt worden. Wegen Störungen in der Stromversorgung der neuen elektrischen Lokomotiven mussten Maschinen aus dem Reservepark eingesetzt werden. Erhebliche Verspätungen waren die Folge.
Eigentlich sollte die Strecke mit den neu beschafften Lokomotiven der Baureihe E 41 bedient werden, aber nach vier Tagen Dauerbetrieb zeigten diese sich bockig. Manchmal fuhren sie überhaupt nicht an, manchmal blieben sie auf der Strecke stehen. Mechaniker Holger Behncke vom Bahnbetriebswerk Neustadt hatte eine überraschende Erklärung für das Phänomen bereit: „Es liegt an dem ausgewogenen Klima hier in der Gegend.“ Bisher hatten es die Einwohner von Etwashausen und Wildenranna meist als Vorteil empfunden, dass sie sehr gut vor den Unbilden der Witterung und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen geschützt sind. Behncke meinte nun im Gespräch mit den „Etwaigen Nachrichten“, es könne an Fremdströmen liegen, die die Elektrik der Maschinen durcheinander brächten. Hauptsächlich kämen die Pannen aber daher, dass in den neuen Lokomotiven Stahllegierungen verbaut worden seien, die genau diese thermischen Schwankungen für ein reibungsloses Funktionieren benötigten. „Wenn sich die Lager und Getriebeteile ab und zu ausdehnen und wieder zusammenziehen müssen oder wech- selnder Feuchtigkeit ausgesetzt sind, bleiben sie geschmeidig“, argumentierte er.

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Die hochmoderne E 41 schiebt einen Eilzug mit neuen Silberlingen.

Schon in den letzten EN hatte Hedwig Munke von einer Fahrt in einem modernen Eilzug berichtet, bei der sie wegen plötzlichen Stromausfalls zwei Stunden auf freier Strecke hatte warten müssen. Solche Zwischenfälle häuften sich, bis einmal ein Güterzug eine ganze Nacht lang im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke blieb. Da setzte Güterbahnhofschef Jürgen Vogel durch, dass für die Bergstrecke bis auf weiteres die ehrwürdige E 91 eingesetzt wird, die eigentlich nur noch als Museumslok dienen sollte. „Lokführer Hellmich legte ein paar Schalter um, ölte die Lok ein bisschen, und schon schnurrte sie los wie ein Kätzchen“, erzählte Vogel stolz.

Die 03 und die E 91 halten den Fernverkehr aufrecht.

Zugleich ließ er auch die Schnellzugdampflok der Baureihe 03.10 wieder in den Dauereinsatz überstellen. Sie zieht nun nicht nur zweimal wöchentlich den internationalen Schnellzug, sondern bleibt auch zwischendurch einsatzbereit. Alle Maschinen wurden selbstverständlich vorher einer gründlichen Reinigung unterzogen.
Die Personenzüge auf der Bergstrecke werden nun von der E 32 gezogen. Hellmich sagte: „Es ist ein schönes Gefühl, wieder den alten Bock zu steuern.“ Etwas leiser gab er allerdings zu, dass der Dienst im Stehen doch anstrengender sei als im Sitzen auf der modernen Lok. Für die Übergangszeit soll deshalb ein Barhocker aus Pits Café versuchsweise in den Führerstand gestellt werden.
Hellmich selbst hatte eine einfachere Erklärung für das Debakel bereit. „Die benutzen uns einfach als Versuchskaninchen“, sagte er und meinte die Hersteller. „Eigentlich sollten wir uns freuen, dass die Züge schneller und komfortabler fahren. Jetzt müssen wir aber schon froh sein, wenn sie überhaupt fahren.“

Die alten Abteilwagen tun immer noch Dienst. Die Fahrgäste reagieren unterschiedlich.

Die Fahrgäste reagierten unterschiedlich. „Wir dachten, wir könnten endlich mal komfortabler sitzen“, sagte Hedwig. „Immerhin funktionieren sie aber zuverlässig“, gab Karl-Heinrich Müller zu bedenken, als er aus dem Abteilwagen stieg, der schon ein paar Jahrzehnte auf den drei Achsen hatte. „sie sind sogar pünktlich“, wunderte er sich.
Die neuen Lokomotiven wurden indessen im Werk von Neustadt gründlich untersucht. Schließlich schien es, als hätten die Mechaniker die Ursache gefunden. Behncke nannte sie aber den „Etwaigen Nachrichten“ auch auf mehrfache Nachfrage nicht. „Die Lösung ist geheim“, gab er zur Begründung an. „Noch zwei Wochen“, sagte er, „dann können sie wieder eingesetzt werden. Wir müssen Ersatzteile anfertigen lassen.“ Am Abend besprachen Fritz P. und Genoveva im Dorfkrug über einem Glas Wein und einem Tee den Tag. „Wahrscheinlich haben sie irgendwo ein Zahnrad einzubauen vergessen, und jetzt schämen sie sich, das zuzugeben“, mutmaßte Genoveva.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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