Nummer 27: Mit dem Roten Pfeil in die Weiße Nacht

Von Moskau nach Sankt Petersburg
DB AG festigt Engagement beim boomenden Güterverkehr nach Osten

Etwashausen/St. Petersburg (Eig. Ber.) Der Rote Pfeil, von dem hier gesprochen wird, ist nicht etwa ein Schweizer Schnelltriebwagen. Und die Weiße Nacht hat auch nichts mit Schnee zu tun – im Gegenteil: So nennt man in Sankt Petersburg die Mittsommernächte, in denen es kaum dunkel wird und sogar mit knapp 20 Grad ziemlich warm ist. Und der Rote Pfeil ist der Nachtzug von Moskau, Leningrader Bahnhof, nach Sankt Petersburg, Moskauer Bahnhof. Reporterlegen- de Fritz P. hatte das Vergnügen, für die „Etwaigen Nachrichten“ mit dem Roten Pfeil auf Einladung der Bahn AG in die Stadt am östlichsten Ende der Ostsee zu reisen.

Schon in Moskau ist es am späten Abend noch recht hell: Die Basilius-Kathedrale gegen 23.00 Uhr am 22. Juni

Der sachliche Grund für die Reise war die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Deutschen Bahn und der Russischen Eisenbahn SZD über die Gründung einer Gesellschaft zur engeren Kooperation bei Vertrieb und Verwaltungsaufgaben für den Schienengüterverkehr zwischen Europa und Asien. Zusammen mit einem weiteren Joint Venture zwischen den Eisenbahnen Deutschlands, Polens, Weißrusslands und Russlands soll es helfen, dem Lkw und dem Seeschiff Marktanteile im derzeit mit Wachstumsraten über 20 Prozent boomenden Containerverkehr abzujagen.
Vorteil des Schienenweges gegenüber dem Seeschiff ist die größere Schnelligkeit, Vorteil gegenüber dem Lkw ist die geringe Umweltbelastung. Nachteil gegenüber beiden sind nicht etwa der Spurwechsel von Breitspur auf Normalspur und zurück (wenn wir einen durchgehenden Güterzug von China im Auge haben), sondern die enormen Verwaltungsbürokratien, die sich an vielen Grenzen für die Züge auftürmen.

In der Eisenbahn-Verwaltung.

In unmittelbarer Nähe des prunkvollen Moskauer Eisenbahn-Verwaltungsgebäudes ist einer der weltgrößten Plasma-Bildschirme zu bewundern. In der Leitzentrale können die Dispatcher das gesamte Netz der SZD überblicken und bei Bedarf auch Webcams aus dem ganzen riesigen Land zuschalten, dessen Netz etwa 90.000 Kilometer umfasst.

Der Riesenmonitor.

Ihre Bilder erscheinen in einer etwa anderthalb mal zwei Meter großen Ecke des 16 mal 4,5 Meter großen Monitors, an dessen Rückseite sich ein künstlicher Wasserfall mit Goldfischteich befindet. Es ist die repräsentative Lobby der Leitzentrale.
Trotz der an vielen Stellen hochmodern auftretenden Eisenbahn ist Moskau – ebenso wie Sankt Peters- burg von chaotischen Autoverkehrsverhältnissen gekennzeichnet. Die Delegation hätte um ein Haar die Abfahrt des Roten Pfeils verpasst, weil die „Fahrt“ vom Roten Platz zum Bahnhof auf den letzten 300 Metern eine gute halbe Stunde dauerte.

Der Rote Pfeil von außen und von innen. Man kann nicht meckern.

Die Schlafwagenkultur der Russen steht der westeuropäischen in nichts nach. Zwar sind die Züge ein wenig kitschig eingerichtet, dank der Breitspur und der relativen Kürze der Fahrzeuge haben die Abteile aber ausreichend breit auch für übergroße Reporterlegenden und Funktionäre. Die Speise- und vor allem die Getränkekarte des Barwagens lässt ebenfalls keine Wünsche offen – allerdings darf hier noch geraucht werden.
Der Aufenthalt in Sankt Petersburg diente – möglicherweise ungewollt – der praktischen Demonstration der Kluft zwischen der Aufbruchstimmung der Wirtschaft einerseits und dem bürokratischen und politischen Engagement der Verwaltungen andererseits. Per Hubschrauber wurde die Delegation zum Hafenneubau Ust-Luga, etwa 100 Kilometer westsüdwestlich, verfrachtet.

Ust Luga aus der Hubschrauberperspektive.

Dort wird ein riesiges Terminal für Massengut, Container, allgemeine Fracht und Autoimporte gebaut. Die Kohleverladung funktioniert bereits. Das Eisenbahn-Fährterminal ist auch schon fertig, aber die Fähre liegt tatenlos am Anleger. Angeblich ist die Verbindung nach Baltijsk in der russischen Exklave Kaliningrad (Königsberg) bereits eröffnet. Aber zurzeit liegt das Schiff still. In der geöffneten Heckklappe nistet ein Schwalbenpärchen.

Eine Schwalbe macht noch keinen Fährverkehr.

Für die ebenfalls projektierte Verbindung nach Mukran auf Rügen fehlt angeblich ein Staatsvertrag zwischen dem russischen und dem deutschen Verkehrsministerium, wie die russischen Betreiber von Ust Luga der deutschen Delegation vor Ort erklärten. Diese Bedingung war am Freitag selbst höchsten Bahnkreisen neu.

Mit Jetskis auf der Newa.

Wie sehr Tradition und Moderne sich in einer russischen Metropole stoßen, machte schließlich die lange Nacht in der Residenz deutlich. Während junge Männer in der sinkenden Sonne gegen Mitternacht mit Jetskis die Newa zum Schäumen brachten, führten zwei andere im Schatten der berühmten Eremitage junge Tanzbären mit Maulkörben vor.

Tanzbären im Park vor der Eremitage.

Ein Stück weiter wurde eine riesige Bühne für ein Festival am Samstagabend aufgebaut. Polizisten legten ihre Uniformmützen zwischen den leeren Bierflaschen der Zaungäste ab. Keiner von diesen Widersprüchen zeigte sich bei Sonnenuntergang gegen 00.30 Ortszeit beim Blick über die Dächer der Zarenresidenz.

Die Weiße Nacht in Sankt Petersburg.

... berichtet regelmäßig in den “Etwaigen Nachrichten” (EN) über die Ereignisse in Etwashausen. Sie erreichen Fritz P. per Elektronischer Post über das Kontaktformular oder über folgende Anschrift:

Reporterlegende Fritz P.
Etwaige Nachrichten
Hauptstraße / Markt
Etwashausen

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