Lok dieselt zu laut: Schäfer Pümbel und Anwohner können nicht schlafen –
Etwashausen, 9. Dezember (Eigener Bericht). In Wildenranna formieren sich die Dieselgegner. Mehrere Einwohner haben gegen den Lärm der Diesellok V 36 235 protestiert und leisere Loks oder ein Rangierverbot verlangt. Erste Messungen ergaben tatsächlich recht laute Geräusche. Über die Eingaben ist noch nicht entschieden. Wie die „Etwaigen Nachrichten“ exklusiv erfuhren, zeichnet sich jedoch eine Kompromisslösung ab. Ein Nachtrangierverbot gibt es aber vorerst nicht.
Angesichts stetig steigender Rangieraufgaben im aufstrebenden Wirtschaftsgebiet Wildenrannas wurde vor einigen Monaten die V 36 beschafft, die nun neben der Dampflok 80 030 und der neuen V 60 107 in der Direktion Etwashausen Dienst tut. Ferner erweiterte Güterverkehrschef Jürgen Vogel in Abstimmung mit dem Bahnvorstand die Arbeitszeiten auf 24 Stunden, die nun in drei Schichten abgeleistet werden. Es dauerte nicht lange, da ging bei der Direktion eine Beschwerde von Schäfer Pümbel ein, dessen Schafzucht genau im Gleisdreieck zwischen Personenbahnhof und dem Industriegleis am Mühlengraben liegt. „Jedes Mal, wenn mitten in der Nacht die V 36 hier rumdieselt, kräuselt sich bei meinen Schafen die Wolle“, klagte er. „Mein Hund wird wuschig, und ich kann nicht schlafen.“ Das sei aber noch nicht alles: „Dazu kommt, dass sie auch noch mit einem Dauergebimmel hier hereinfährt, als wolle der Lokführer erst recht auch den letzten Bürger noch aus seinem Schlaf holen.“ Die Witwe Nolte aus dem Neubauviertel, die bisher als schwerhörig galt, beschwerte sich beim Etwashausener Bürgermeister Wilhelm Meyer: „Diese knallrote Lok beleidigt ja das Auge, und außerdem stinkt der Diesel zum Himmel, besonders nachts.“ Weitere Beschwerdeführer forderten ein Rangierverbot für Wildenranna.
„Als das Formen annahm, habe ich den Bahnchef G. angerufen, und wir waren uns einig, dass etwas getan werden muss“, sagte Meyer im Interview mit Fritz P., der Reporterlegende der „Etwaigen Nachrichten“. Sie beschlossen, zunächst einmal eine Studie in Auftrag zu geben, die die Lärmemissionen messen soll. Meyer sagte, er habe angeregt, auf das nächtliche Bimmeln zu verzichten, aber G. habe das für problematisch erklärt, weil die Eisenbahn-Signalordnung dies an dieser Stelle verlange.
So wurde die V 36 ein paar Tage später erst einmal von Fachleuten der Universität Neustadt akustisch vermessen. Professor Erich Kloth, ein bekennender Bahnfan, begab sich persönlich vor Ort, um sich ein Hörbild von der Lok zu machen. Als sich die Zylinder des Diesels schwerfällig in Bewegung setzten, unterstützt vom Geklapper der Wellengelenke, meinte er zwar: „Was gibt es Schöneres als eine dröhnende Diesellok?“, räumte aber doch ein, dass manche Leute diesen Lärm des Nachts als störend empfinden könnten. Als dann auch noch die Pfeife ihren durchdringenden Klang ertönen ließ und die Glocke vorschriftsmäßig hell läutete, sagte auch Kloth zu Meyer und G.: „Da sollten Sie etwas tun.“
„Also gut“, gab sich G. geschlagen. „Ich sehe zu, dass ich eine Ausnahmeverordnung zum Verzicht auf das Glockensignal erlasse, zumindest nachts. Außerdem könnte man zumindest am Personenbahnhof mit einer Elektrolok rangieren.“ Tatsächlich fand Claus im Depot von Neustadt noch eine elektrische Rangierlokomotive, die vor zwei Jahren außer Dienst gestellt wurde, weil nicht alle Gütergleise elektrifiziert sind. „Diese logistischen Probleme müssen wir dann eben in Kauf nehmen.“
„Und wie ist es mit dem Nachtrangierverbot?“, fragte Meyer, der nicht besonders begeistert schien. Immerhin hat die E 63 auch schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel und rattert ganz ordentlich. „Nachtrangierverbot ist nicht drin“, lehnten G. und Bahnhofschef Claus einmütig ab. „Dann vernichten wir den Aufschwung. Möglicherweise kostet das sogar Arbeitsplätze.“ Aber sie wollten versuchen, die nächtlichen Rangieraufgaben mit Güterwagen so gering wie möglich zu halten und Zugbildungen nach Etwashausen zu verlagern, wo der Rangierbahnhof etwas abseits der Wohngebiete liegt.