Piko-E 41 im Praxistest – Im Auslieferungszustand für Märklin-Oberleitung ungeeignet –
Die Piko E 41 kommt auf Testfahrt im Bahnhof Wildenranna an. © alle Fotos: Etwaige Nachrichten
Etwashausen, 12. Oktober (Eigener Bericht) Die E 41 074 von Piko hat im Etwashausener Testcenter ihren Einstand gegeben. Es war das erste Mal, dass ein Triebfahrzeug eines Fremdherstellers den ansonsten von Märklin dominierten Lokomotivbestand ergänzte. (Bei den Waggons sind wir etwas weniger engstirnig.) Im Test der Brot-und-Butter-Loks der Epoche III trat die Piko-51511 gegen ihre ältere Schwester aus Göppingen, die E 41 208 (39410), und gegen die Mutter aller H0-E 41, die Märklin E 41 024 (3037), an.
Kurzzusammenfassung: Die Lok der Firma aus Sonneberg konnte sich behaupten, erreichte aber weder in der Qualität noch in der Ausstattung das Niveau der – allerdings deutlich teureren – älteren Schwester. Betrieb an der alten Märklin-Oberleitung ist aber eher nicht möglich. Das Märklin-Modell aus den 60er Jahren, von dem es bis ins 21. Jahrhundert mehr als 20 Varianten gab, landete schon bald unter „ferner liefen“.
Es war ein Angebot, das man nur schwer ablehnen konnte: Die sehr preisgünstige Piko-Lok in Wechselstrom-Digitalversion für 140 Euro Preisempfehlung und gut 120 Euro Straßenpreis bot sich als Versuchskaninchen an. Außerdem sah sie auf den Abbildungen echt gut aus. Die Märklin-Lok ist im Straßenpreis zwischen ca. 60 und 100 Euro teurer, ihr UVP lag bei 279 Euro – genau das Doppelte der Piko-Lok. Aktuell im Programm hat die Göppinger Lokfabrik eine grüne 141 für 300 Euro UVP, die zu Preisen zwischen 200 und 230 Euro über den virtuellen Ladentisch gehen kann.
Dementsprechend fällt die Piko-Maschine in der Ausstattung auch zurück: Sie hat ein Plastik- und kein Metallgehäuse, keine Vorentkupplung und keinen Sound. Die Schlussleuchten, die bei Märklin mit dem Spitzenlicht automatisch wechseln, müssen manuell zugeschaltet werden.
Der gute optische Eindruck bleibt auch, wenn man das Stück in der Hand hält. Der haptische allerdings nicht. Wer nicht aufpasst, ruiniert schnell die eine oder andere Dachleitung.
Die Märklin-E 41 ist schon eine Weile in unserem Besitz, und zur ganzen Wahrheit gehört auch: Sie war schon zweimal in Reparatur, was bei diesem Modell übrigens kein Einzelfall ist. Beim ersten Mal hat der Sound versagt, beim zweiten Mal der gesamte Decoder. Aber jetzt läuft sie gut, Märklin hat ihr ganz offensichtlich einen besseren Decoder verpasst. Der Sound ist reichhaltiger – er umfasst unter anderem auch die Bahnhofsansage, was bei einer überwiegend vor Personenzügen genutzten Lok ja ganz praktisch ist.
Die fast pensionsreife grüne Märklin-Lok (Preisempfehlung damals um die 29,80 Mark) macht nur dann optisch eine gute Figur, wenn der Betrachter die anderen (oder die von Roco) nicht daneben sieht. Angemalte Leitungen auf dem Dach, grobe Pantografen, Cellonscheiben, Doppel-A-Licht und so weiter sind eher etwas für Nostalgiker, aber eine schöne Kindheitserinnerung. Aber es hieße ja auch Äpfel mit Birnen zu vergleichen, wollte man hier den Maßstab der Modellbahn des 21. Jahrhunderts anlegen. Bei den Fahreigenschaften ist der ein halbes Jahrhundert alte Scheibenkollektor-Motor noch akzeptabel, wenn der analoge Umschalter gut eingestellt ist. Und auch nicht zu verachten: das Spitzenlicht mit Glühbirne. Wer sich an die funzeligen Dreilicht-Spitzensignale des Vorbilds in jener Zeit erinnert, der findet die Beleuchtung der 3037 gar nicht so schlecht. Mit ein wenig Löten könnte sie sogar fahrtrichtungsabhängig ausgeführt werden.
Also erst einmal ein Fahrversuch mit der Piko-Maschine. Decodereinstellung: #3. Nach der manuellen Anmeldung an der Central Station tut sie mit akzeptablem Motorgeräusch genau, was man von ihr erwartet. Aber Laufkatze und Flaschenzug des digitalen Uhlenbrock-Bockkrans am Wildenrannaer Ladegleis bewegen sich auch, denn er hört auch auf die Adresse #3. Was tun? Wie geht das mit der Adressen-Änderung bei der Piko-Lok? Oder beim Kran? Keine Ahnung, die Bedienungsanleitung macht auch nicht wirklich Mut, dieses Problem in der Piko-Lok zu lösen. Also kurzerhand einen billigen Kaufmannsladen-Lichtschalter in die Zuleitung zum Kran eingebaut und ihn abgeschaltet.
So, jetzt noch einmal losgefahren mit der Piko-Lok, die etwa 250 Gramm wiegt. Schön langsam fährt sie an – wir ersparen uns Details und Zahlen, das können die Zeitschriften sowieso besser -, aber ein Plus gegenüber der 120 Gramm schwereren Märklin-Lok mit ihrem SoftDrive-Sinus-Motor (SDS) kann man ihr nun auch wieder nicht attestieren. Auf C-Gleis fährt sie erwartungsgemäß einwandfrei. Im M-Gleis-Bereich mit jahrzehntealten Schienen musste eine einzige kurze Teilstrecke leicht optimiert werden, und dann lief sie problemlos. Sogar über Bogen- und Doppelkreuzungsweichen. Die E 41 074 ist hier fast gleichauf mit der SDS-Lok, die sich feinfühliger regeln lässt, aber „schneller“ losfährt – also bei Stufe 1 von 128 schleicht sie der Kollegin davon.
Die ersten Probefahrten mit einem Personenzug aus grünen Donnerbüchsen neuerer Bauart absolvierte die Piko-Lok also problemlos, aber nicht vorbildgerecht, nämlich abgebügelt. Die Nagelprobe sollte nun „Bügel an“ erfolgen, also mit ausgefahrenen Stromabnehmern, wenn auch ohne Stromversorgung von oben. Die Bügel sind sehr filigran und haben sogar Spiralfedern an den Seitenstreben, die die Wippe in der Waage halten. Aber das Schleifstück ist mit 12 mm viel schmaler als bei der Märklin-39410, ganz zu schweigen von dem der 3037 mit 17 mm, dessen Auflageflächen fast bis an die Dachkanten reichen. Schon nach einem halben Meter langsamer Fahrt hängt der Pantograf neben dem Fahrdraht, zu dem sonst alle unsere Lokomotiven problemlos Kontakt halten, selbst wenn sie feinere Sommerfeldt-Scherenstromabnehmer tragen.
Also die Oberleitung ein wenig ausgerichtet, und wieder losgefahren. Gefahren, nicht gerast. Und nach etwa zwei Metern, an einer Weiche, wo mehrere Oberleitungen kompliziert zusammengeführt werden müssen, ein metallisches Kratzen. Der Stromabnehmer verformt sich, eine Verstrebung steht seitlich ab, aber die Lok fährt weiter, und auch der Zug bleibt erst einmal dran. Wie gesagt, an der fraglichen Stelle hat sonst noch keine E-Lok Probleme gemacht.
Tja, soll es das nun gewesen sein? Zwei Meter, und die Lok ist hin? Wir hatten erwartet, dass sie in Kurven geradeaus fährt, auf Weichen bockt, andere Decoder stört oder in den M-Gleisen reihenweise Kurzschlüsse produziert. Nichts von alledem, und deshalb gibt es für die Fahreigenschaften auch erst einmal eine gute Note.
Ein Stück weiter nehmen wir den Havaristen von der Schiene und lassen erst mal die Märklin-E 41, quasi als Safety-Car, an die Donnerbüchsen. Im Bw ergibt eine nähere Untersuchung des betroffenen Piko-Pantografen mit der Lupe, dass er verbogen und teilweise auseinander gerissen wurde. Eine der beiden Mini-Federn hat sich ins Gebüsch verabschiedet und ist vorerst unauffindbar. Wenn wir den Haken am Ende der seitlich herausstehenden Verstrebung wieder in seine Öse hängen und das ganze Gestell wieder in die richtige Richtung biegen, sieht er wenigstens wieder ordentlich aussieht. Aber ihn noch einmal an den Fahrdaht zu legen – außer zum Fotografieren -, nein, eher nicht.
Vom äußeren Eindruck kann die Piko-Lok überzeugen. Abgesehen davon, dass das Grün etwas dunkler wirkt als bei beiden Märklin-Maschinen, sind sich Märklin-neu und Piko-neu sehr ähnlich. Beide haben einen modellierten Führerstand, Märklin sogar mit Handrad. Bei beiden lassen sich Bremsschläuche nachrüsten. Nur die Piko-Lok hat an allen vier Ecken vorbildgerecht eine Nachbildung der Wendezugsteuerungs-Kabel. Sie hat – ebenfalls vorbildgerecht wie die ersten Serienexemplare und wie die alte Märklin-Lok – keine getrennten Leuchtkörper für Spitzen- und Schlusslicht, während die Märklin-39410 diese hat. Auch das ist vorbildgerecht, denn im weiteren Produktionsfortschritt wurde das so gemacht. Bei beiden sind die Leitersprossen unterhalb des Rahmens vorbildwidrig am Drehgestell angebracht. Vorteil: beide meistern deshalb enge Radien problemlos.
Was machen wir aber jetzt mit dem Stromabnehmer? Abgebügelt unter der Oberleitung fahren geht für uns gar nicht. Betriebstauglichen Panto nachrüsten? Einen Versuch wäre es wert. Also das Lokgehäuse an den Längsseiten spreizen und nach oben abheben. Ganz gefährlich, überall drohen Plastikteile abzugehen, möglicherweise irreparabel. Hier sehnt sich der Monteur nach der Schraube, die alles passgenau zusammenhält und bei Bedarf auch löst. Am Ende klappt es, und wenn man das Gehäuse allein in der Hand hält, merkt man erst, wie weich das Plastik ist.
Die Pantos sind mit winzigen Kreuzschlitzschrauben im Dach befestigt. Gut, dass wir irgendwann mal einen Fleischmann-Werkzeugsatz gekauft haben, in dem ein passender Schraubendreher steckt. Die Bohrung ist viel zu klein für die Schraube eines Märklin-Pantos. Nicht genug damit, die Piko-Schraube löst auch nur den Panto an sich, nicht aber die vier Isolatoren und die beiden zugehörigen Brücken. Die Brücken sind in die Isolatoren und diese wiederum in Mikro-Löcher im Dach eingeteckt. Ein Isolator ist bei der Havarie gebrochen, wie wir jetzt feststellen. Das lässt sich aber mit ein bisschen Plastikkleber reparieren. (Gut, dass es kein Metall ist.)
Der klassische Märklin-Stromabnehmer und auch die einschlägigen filigraneren Sommerfeldt-Pantos könnten nach Abnahme all dieser Teile, nach Abfeilen der Dachbefestigungen für die Isolatoren und nach Vergrößern der Bohrung für die Panto-Schraube aufgesetzt werden – aber das wollen wir der Lok nun doch nicht antun. Es gäbe dann noch die Möglichkeit, mit feinem Draht oder Zwirn die Pantografen so etwa auf halbmast zu fixieren, damit es zwar so aussieht, als fahre sie angebügelt, aber immer genug Abstand bleibt, um Havarien wie der eben geschilderten zu entgehen.
Was bedeutet all das in Summe? Die Märklin-Lok ist hauptsächlich wegen der Vollausstattung vorne. In den Grundeigenschaften kann die Piko-Lok mithalten. Manche Details sind hier genauer, manche dort. Wer keinen Wert auf Sound, aufgebügelten Betrieb an einer Märklin-Oberleitung und mfx-Premiumausstattung legt, ist mit der Piko-Lok gut bedient. Für vorbildgerechtes Fahren ist die Umrüstung auf betriebstaugliche Pantografen anzuraten. Und ein Sound-Decoder lässt sich auch nachrüsten. Aber dann kommt sie auch an den Märklin-Preis heran.