Mustangfahrer eckt vor dem Bahnhof an
Etwashausen, 20. April (Eigener Bericht) Erstmals seit anderthalb Jahren hat die Polizei wieder in den Straßenverkehr eingreifen müssen. Der US-Amerikaner Aymer Comyn, der sich in Etwashausen niederlassen möchte, hatte seinen Sportwagen mitten auf dem Bahnhofsvorplatz geparkt. Dieser ist aber für Reisende zu Fuß und Linienbusse reserviert. Auch als Comyns Umzugsgut am Güterbahnhof ankam, gab es eine Überraschung.
Comyn war nicht begeistert, als sich Wachtmeister Uwe D. vor dem türkisfarbenen Mustang aufbaute, den er für viel Geld aus Amerika mitgebracht hatte. Der Polizist zückte seinen Block, notierte das Kennzeichen aus Wisconsin und wies den Amerikaner mündlich auf seine Verfehlung hin. „Das Parken ist nur in den ausgewiesenen Zonen erlaubt“, sagte D. „Und dort kostet es nicht mal etwas.“
Verkehrsdelikte sind in Etwashausen und Wildenranna äußerst selten. Die Polizei hatte zuletzt vor knapp anderthalb Jahren im Straßenverkehr zu tun. Damals war Franz-Joseph Kubanke mit einem historischen Benz Patent-Motorwagen in Wildenranna aufgetaucht, und Polizei-Obermeister Siegfried Rudolph vermutete, dass der Wagen nicht den heutigen Zulassungskriterien entsprechen würde. Die Frage war aber wegen des großen öffentlichen Interesses an der Auseinandersetzung aber letztlich unbeantwortet geblieben.
Die Exklusivität seines Erlebnisses tröstete Comyn wenig. „Das ist aber ein unangenehmes Begrüßungsgeschenk“, entgegnete der Noch-US-Bürger. Der Polizist, der sich zuvor mit einer gerade per Bahn eingetroffenen Reisenden unterhalten hatte, rechtfertigte sich: „Hier haben sich Reisende über Ihr geparktes Auto beschwert, und da musste ich eingreifen.“
Hinter ihnen unterhielten sich zwei Damen. „Das Auto ist ja ganz interessant, aber man muss es ja nicht mitten auf den Platz stellen“, sagte die Ältere. „Ja, ich habe kein Mitleid mit dem Fahrer“, stimmte die andere zu.
„Ich bin am Bahnhof, weil ich mich über den Fahrplan kundig machen wollte. Man muss ja nicht immer mit dem Auto fahren“, sagte Comyn und fragte nach: „Wie ist das denn da hinten auf dem Marktplatz?“ Dort dürfe er nur parken, wenn er im Rathaus zu tun habe oder Anlieferer zum Wochenmarkt sei, und auch dann nur für 20 Minuten, erklärte ihm der Polizist.
„20 Minuten? Hmm“, grübelte Comyn. „Schaffe ich es in der Zeit, die Formulare für die Anmeldung eines Wohnsitzes auszufüllen?“ – „Das denke ich doch“, sagte D. „Hier bei uns gibt es ja nicht so viel Andrang im Rathaus.“ Er zwinkerte mit den Augen. „Und wenn es 25 Minuten dauert, ist es auch nicht schlimm.“ Also fuhr Comyn mit seinem Mustang auf den Marktplatz, stellte sein Auto wieder ab und ging ins Rathaus. Wie der Polizist vorhergesagt hatte, ging es recht schnell: 13 Minuten.
„Der Ami“, wie ihn viele schon nannten, hatte sich vor einigen Tagen in einer leeren Zweizimmerwohnung in der Nähe der Praxis seines Freundes eingemietet, des Etwashäuser Arztes Paul Löther. Nun ging es um das Hab und Gut aus Amerika abzuholen, also seine Wohnungseinrichtung, Kleider und andere Gegenstände. Er hatte das vor etlichen Wochen in Milwaukee auf die Reise gebracht. Die Bundesbahn hatte ihn benachrichtigt, es solle am Nachmittag ausgeliefert werden. Comyn hatte herausgefunden, dass es am Güterbahnhof von der Schiene auf die Straße verladen werden solle. „Das schaue ich mir an“, sagte er sich, und nachdem er dafür gesorgt hatte, dass vor seinem Wohnhaus ein Platz für einen Container freigehalten wurde, fuhr er zum Güterbahnhof. Dort konnte er beobachten, wie der große Kran einen Von-Haus-zu-Haus-Container vom Güterwaggon auf einen Tieflader hob.
„Das ist Ihr Hausstand“, sagte Güterbahnhofschef Neuerburg zu Comyn, nachdem sie einander vorgestellt hatten. „Aber da ist noch was drin.“
„Ja,was denn?“, fragte der Ami.
„Kuchengabeln“, sagte Neuerburg lächelnd. „Zwei große Kisten Kuchengabeln. Eine für Anni Scherers Laden und eine für – ach, den Namen darf ich ja nicht nennen.“
„Wie kommen die jetzt an die Gabeln?“
„Wir haben Frau Scherer benachrichtigt. Sie hat sich bereit erklärt, beide Pakete vor Ihrem Haus entgegenzunehmen.“
„Na, da werde ich ja eine Menge Kuchen backen müssen“, sagte der angehende Konditor im Gasthaus zur Post.
Comyn and find out. Ich hoffe, der Kulturgeschockte wird bis auf weiteres von der Exekutive verschont.