Amerikanisches Restaurant im Caboose eröffnet
Wildenranna, 7. Juni (ssl) Kaum hat die Bahn das Gleisfeld vor dem Bahnhof saniert, bekommt Wildenranna eine weitere Attraktion: In einem ausrangierten Güterzugbegleitwagen bietet „Fred‘s Diner“ seit einigen Tagen nordamerikanische Spezialitäten an. Am Montag wurde im kleinen Kreis Eröffnung gefeiert. „Hier wird es Hamburger und Hot Dogs geben, aber auch anspruchsvolle amerikanische Küche“, versprach Inhaber Aymer Comyn aus Milwaukee, der seit einigen Jahren in Etwashausen ansässig ist. Im Exklusiv-Interview mit den „Etwaigen Nachrichten“ erzählt er Reporterlegende Fritz P. die Geschichte des roten Waggons.
Reger Betrieb herrscht bereits wenige Tage nach der Eröffnung in Fred’s Diner. Im Hintergrund wird gerade ein Waggon mit amerikanischen Spezialitäten zur Laderampe rangiert. © alle Fotos: Etwaige Nachrichten
EN: Mr. Comyn, wie kamen Sie auf die Idee, ein amerikanisches Spezialitätenrestaurant zu eröffnen?
Comyn: Also, ich bin ja ausgebildeter Gastronom, also eigentlich Konditor. Nach Etwashausen hat es mich verschlagen, weil mir die weltweit ausgeschriebene Stelle des Kochs im Gasthof zur Post zusagte und ich mich mal in good old Germany umschauen wollte. Das war vor drei Jahren. Ich schätze zwar die bürgerliche Küche, wie sie in der Post Tradition ist. Aber ich liebe auch die Abwechslung und wollte auch mal was anderes anbieten. Und weil die Postwirtin sehr stolz auf ihre Tradition ist, dachte ich mir: No risk, no fun, ich versuch‘s auf eigene Faust.
EN: Der Caboose, in dem Sie ihre Gäste bewirten, stammt ursprünglich von der kanadischen Staatsbahn Canadian National Railways. Wie sind Sie da dran gekommen?
Comyn: Ich bin in Vancouver in einen Eisenbahnladen gegangen und habe den Caboose gekauft (lacht). Nein, ganz so war es nicht. In einer kanadischen Zeitung gab es einen Artikel über abgestelltes Wagenmaterial der CNR, das verschrottet werden sollte. Das hat mich auf die Idee gebracht. Ich bin also zu dem Schrottplatz in Hamilton, Ontario gefahren und habe Interesse an dem Waggon gezeigt. Mir haben sonders die Perrons an den Stirnseiten und der erhöhte Sitzplatz unter der Kanzel gefallen. Die Geschäftsführung hat mir ein sehr günstiges Angebot gemacht. Glücklicherweise hat der Schrottplatz nicht nur einen Bahn-, sondern auch einen Hochseeanschluss am Lake Ontario, so dass sich Verladung und Seetransport relativ einfach bewerkstelligen ließen. Erstaunlicherweise waren die Genehmigungsbehörden hierzulande sehr kooperativ. Sie erlaubten sogar den direkten Zugang vom Hausbahnsteig, den Sie da vorne sehen.
EN: Warum kein US-amerikanischer Wagen? Haben Sie eine besondere Beziehung zu Kanada?
Comyn: Ja, aber das führt hier zu weit. Wichtig ist mir jedoch, dass Nordamerika nicht nur mit den Vereinigten Staaten gleichgesetzt, sondern als Kontinent in seiner ganzen Vielfalt gesehen und respektiert wird. Deshalb gibt es auch kanadische Spezialitäten in Fred‘s Diner.
EN: Zum Beispiel?
Comyn: Hähnchenpizza oder Pancakes mit Cranberries. Und Poutine.
EN: Wie bitte?
Comyn: Poutine ist ein kanadisches Nationalgericht. Es besteht im wesentlichen aus Pommes oder Bratkartoffeln, Käsewürfeln und Bratensoße und kann mit Fleisch und Gemüse variiert werden. Es ist nicht gerade Haute Cuisine, aber schlecht schmeckt es auch nicht. Nur zur Beruhigung: Der Name kommt nicht aus dem Russischen.
EN: Da sind wir aber beruhigt. Und wieso heißt Ihr Restaurant „Fred‘s Diner“ und nicht „Aymer‘s Diner“?
Comyn: Ich bin nicht so eitel. Ein Name sollte es sein, der sowohl im Deutschen als auch im Englischen/Amerikanischen geläufig ist, um das Völkerverbindende der Kneipe zu betonen. Außerdem gibt es eine Reihe von bekannten Leuten dieses Namens. Zum Beispiel die Herren Feuerstein oder Astaire. Außerdem können Sie es (schmunzelt) als Anspielung an die Reporterlegende Fritz P. lesen.
EN: Oh, da bin ich noch gar nicht drauf gekommen. Aber was anderes: Warum sind Sie nicht in Etwashausen geblieben, sondern nach Wildenranna „ausgewandert“? Sind sie noch beleidigt wegen des Strafzettels?
Comyn: Welches Strafzettels? Ach, damals am Bahnhof… Da denke ich gar nicht mehr dran. Nein, der Grund ist: In Etwashausen gibt es schon drei gastronomische Betriebe. Zwar ist mein Diner eher eine Ergänzung als eine Konkurrenz, aber in Wildenranna gab es noch nicht mal eine Würstchenbude.
EN: Welches Publikum wollen Sie ansprechen?
Comyn: Natürlich alle Einheimischen und Auswärtigen, also eigentlich alle. Wenn der Caboose als Sehenswürdigkeit in Reiseführern wohlwollend erwähnt wird und die Leute extra deswegen hier herkommen, möglichst mit dem Zug, habe ich mein Ziel erreicht. Aber er soll auch eine Begegnungsstätte für alle werden, die die Kommunikation mit Nachbarn bei einem schönen amerikanischen Bier oder einem Bourbon oder einer Cola mögen. Es klappt, wie Sie sehen (zeigt verstohlen auf einen Nachbartisch): Genoveva ist schon da. Ein ganz kleiner Melting Pot of Nations eben. Internationale Verständigung ist heutzutage ganz wichtig.
Das Luftbild zeigt, wie harmonisch sich der Caboose ins Bild des Bahnhofsviertels einfügt.